Entgeltfortzahlung nach sechs Wochen: Arbeitnehmer müssen Arbeitgeber weitreichend über Gesundheitszustand informieren
Beim Streit über eine Fortsetzungserkrankung müssen Arbeitnehmer bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf ihre Arbeitsfähigkeit bestanden und die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Ein Arbeitnehmer war im Jahr 2019 an 68 Kalendertagen und im Jahr 2020 bis zum 13. August an weiteren 42 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber leistete nur bis zum 13. August 2020 Entgeltfortzahlung, weil er vom Vorliegen anrechenbarer Vorerkrankungen ausging und deshalb aus seiner Sicht nicht zur weiteren Entgeltfortzahlung verpflichtet war. Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht auf die Entgeltfortzahlung für weitere zehn Krankheitstage bis zum 23. September 2020. Er verweis dabei auf mehrere Erstbescheinigungen für Erkrankungen ab dem 13. August und legte dar, welche Erkrankungen in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgeführt waren und welche etwaigen Vorerkrankungen aus früheren Arbeitsunfähigkeitszeiten den gleichen Erkrankungen zuzuordnen seien. Aus Datenschutzgründen sei er nicht verpflichtet, sämtliche Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit offenzulegen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht wies die Klage hingegen in der Berufung ab.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes bestätigt und damit dem Arbeitgeber recht gegeben (Urteil vom 18. Januar 2023, Aktenzeichen: 5 AZR 93/22). Der Entgeltfortzahlungsanspruch wegen einer Erkrankung ist laut Entgeltfortzahlungsgesetz auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, besteht nur dann ein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
Dass keine Fortsetzungserkrankung besteht, muss der Arbeitnehmer zunächst unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen vortragen. Hält der Arbeitgeber trotzdem am Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung fest, muss der Arbeitnehmer konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine Fortsetzungserkrankung ausschließen. Dazu muss er – so das BAG – bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum laienhaft schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden und die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Andernfalls könne sich der Arbeitgeber zur Frage der Fortsetzungserkrankung nicht substanziell äußern. Dies seit zwar ein Eingriff in die Grundrechte des Arbeitnehmers, der aber durch das ebenfalls grundgesetzliche gebotene Recht des Arbeitgebers auf ein faires gerichtliches Verfahren gerechtfertigt sei.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass die verbreitete Annahme, der Arbeitgeber dürfe generell nichts über die Ursachen von Krankheiten erfahren, nicht zutrifft. Betroffene Arbeitnehmer sollten bei der Kommunikation über ihren Gesundheitszustand mit Bedacht vorgehen und als VAA-Mitglieder in Zweifelsfragen den Rat der VAA-Juristen in Anspruch nehmen.









