Senkung der Stromsteuer: notwendiges Signal für den Industriestandort Deutschland
Die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromsteuer ausschließlich für das produzierende Gewerbe zu senken, wird kontrovers diskutiert. Brechen die Parteien damit ihr Wahlversprechen, alle Unternehmen und auch die Bürger zu entlasten?
Der Wunsch nach einer breiten Entlastung ist nachvollziehbar – und wäre gerade in der aktuellen konjunkturell schwierigen Lage ein willkommener Impuls für die Binnennachfrage. Dass diese Maßnahme nun in die Zukunft verschoben wurde, ist schmerzhaft und darf keinesfalls dazu führen, dass dieses politische Versprechen dauerhaft aufgegeben wird. Trotzdem ist die gezielte Senkung der Energiepreise für das Verarbeitende Gewerbe ein richtiger und notwendiger Schritt. Energieintensive Unternehmen in Deutschland stehen unter massivem Wettbewerbsdruck und die hohen Strompreise sind ein gravierender Nachteil für den Standort – das hat nicht zuletzt unsere aktuelle VAA-Standortumfrage gezeigt. Die Bundesregierung sendet mit ihrer Entscheidung ein klares Signal: Industrielle Wertschöpfung bleibt politisch gewollt. Für die chemisch-pharmazeutische Industrie ist das ein dringend benötigtes Zeichen der Unterstützung. Denn die Realität ist alarmierend: Die Deindustrialisierung ist längst keine theoretische Gefahr mehr – sie ist bereits im Gange. Das merken wir beim VAA auch ganz konkret an den deutlich gestiegenen Anfragen an unseren Juristischen Service. Leider geht es dabei derzeit viel zu oft um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
Ein besonders besorgniserregendes Beispiel ist die jüngste Entscheidung des US-Chemiekonzerns Dow Chemical, zwei Werke in Ostdeutschland zu schließen. Mit ihnen gehen hochqualifizierte Arbeitsplätze verloren, die sich kaum ersetzen lassen. In der Chemiebranche wiegt das besonders schwer – sie bildet das Fundament für zahlreiche Wertschöpfungsketten, von der Energiewende über die Gesundheitsversorgung bis hin zur Digitalisierung.
Vor diesem Hintergrund ist auch der kürzlich veröffentlichte Chemie-Aktionsplan der Europäischen Kommission ein überfälliges und zugleich wichtiges Signal. Er macht deutlich: Die chemische Industrie ist unverzichtbar für Europas industrielle Zukunft. Der Plan enthält konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Branche – etwa die Ausweitung der Strompreiskompensation, die Förderung des chemischen Recyclings sowie die Rücknahme überzogener regulatorischer Vorgaben, die zu erheblichen Mehrkosten führen würden. Doch klar ist auch: Solche Schritte dürfen keine punktuellen Einzelmaßnahmen bleiben. Sie müssen Teil eines konsequenten, langfristigen Reformkurses sein. Industrielle Arbeitsplätze sind kein Auslaufmodell – sie sind die Basis für Innovation, sozialen Zusammenhalt und nachhaltigen Wohlstand.
Stephan Gilow
Hauptgeschäftsführer des VAA
