Künstliche Intelligenz in Bewerbungsverfahren
Christian Lange, Jurist und Datenschautzbeauftragter beim VAA, erläutert, wie Algorithmen in Bewerbungsverfahren eingesetzt werden und welche Probleme das mit sich bringen kann.
„Siri, welche Pizzalieferdienste sind in der Nähe?“ Diese Frage könnten wir natürlich auch Alexa und einigen weiteren digitalen Helfern unseres Alltags stellen. Was für viele mittlerweile zur Einrichtung ihrer Wohnung oder ihres Hauses gehört, findet zunehmend auch im beruflichen Bereich Anwendung. Künstliche Intelligenz, abgekürzt auch KI, scannt jede Bewerbung zum Beispiel auf vom Arbeitgeber vorgegebene Schlüsselbegriffe oder Beurteilungskriterien. Das können bestimmte Abschlussnoten, Studienschwerpunkte, aber auch Sprachkenntnisse oder Weiterbildungen sein. Die zugrunde liegende Software liefert dann ein Kandidatenranking. Je nach Softwarelösung wird sogar automatisch eine Absage für aussortierte Bewerber generiert. Nur die von der Software als geeignet angesehenen Kandidaten erhalten die begehrte Einladung zum Vorstellungsgespräch.
Zuverlässige Aussagen, wie viele Arbeitgeber bereits künstiliche Intelligenz im Bewerbungsverfahren einsetzen, kann man nicht mit Sicherheit treffen. Die zunehmende Anzahl von Softwareanbietern und die Tatsache, dass gerade die großen Konzerne eine Flut sowohl von Stellenbewerbungen als Initiativbewerbungen erhalten, lässt auf eine beachtliche Verbreitung der Künstlichen Intelligenz im Bewerbungsverfahren schließen.
Die Funktion von KI lässt sich vereinfacht wie folgt erklären: Mithilfe von Algorithmen wird das Erkennen von Mustern und Gegebenheiten aus bestehenden Datenbeständen ermöglicht. Das System erschafft sein Wissen aus Erfahrungen, welche es aus immer wiederkehrenden Mustern von Daten abgelesen hat. Das Lernen funktioniert somit nicht autonom. Der Mensch muss die KI mit relevanten Daten unterstützen und zugleich die Regeln der Analyse festlegen.
Die Frage, die sich für Beweber zwangsläufig stellt: Wie kann man die Bewerbung möglichst so gestalten, dass man nicht durch das Raster der Künstlichen Intelligenz rutscht? Dafür wird es sicherlich umso mehr darauf ankommen, die Bewerbung der jeweils ausgeschriebenen Stelle sowie dem potentiellen Arbeitgeber anzupassen. Schlüsselbegriffe, die für den Bereich, in dem man arbeiten möchte, speziell sind und mit denen man den Arbeitgeber beschreiben kann, sollten unbedingt genutzt werden. Auch Anforderungen aus der Stellenbeschreibung müssen auftauchen, um nicht maschinell aussortiert zu werden.
Neben der ersten Sichtung von Bewerbungsunterlagen hat KI auch noch in einem anderen Teil des Bewerbungsverfahrens Einzug gehalten: Die ersten Arbeitgeber zeichnen das Vorstellungsgepräch ganz oder teilweise mit einer Kamera auf, um dann im Anschluss den Auftritt des Bewerbers mit einer Software zu analysieren. Im Vordergrund steht dabei das Kommunikationsverhalten und die Persönlichkeit des Bewerbers. Sprache, Gestik oder Gesichtsausdrücke – mithilfe von Künstlicher Intelligenz werden verschiedene Parameter abgeleitet, um zum Beispiel Emotionen zu bewerten. Wie sprachgewandt tritt ein Bewerber auf? Werden Botschaften eher neutral und nüchtern transportiert oder ist eine lebhafte Ausdrucksweise prägend? Dies sind nur einige Beispiele, welche Eigenschaften analysiert werden. Die entsprechenden Schlussfolgerungen arbeitet die Software unmittelbar als Vorschlag aus. Den Personalverantwortlichen wird aufgezeigt, ob der Bewerber das Potential für die Position mit sich bringt und inwiefern Verbesserungspotential besteht.
Vor dem Hintergrund dieser neuen technischen Möglichkeiten drängen sich Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit von KI im Rahmen des Bewerbungsverfahrens regelrecht auf. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und in gewissem Maße auch Diskriminierung. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder hat sich 2019 genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Sie stellen bei der Nutzung in ihrer „Hambacher Erklärung zur Künstlichen Intelligenz“ bestimmte Anforderungen auf. Dazu gehört ein hohes Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und der Prozesse maschinengesteuerter Entscheidungen, der Grundsatz der Datenminimierung, die Einhaltung der Zweckbindung, aber auch die Vermeidung von Diskriminierungen und die klare Zurechnung von Verantwortlichkeiten. Inwiefern künftig Aufsichtsbehörden im Bereich des Datenschutzes oder Gerichte bestimmte Nutzungen von KI im Rahmen des Bewerbungsverfahrens einschränken werden, bleibt abzuwarten.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz im Bewerbungsverfahren gemacht? Die Kommission Hochschularbeit im VAA möchte das Thema vertiefen. Sie können uns gern per E-Mail an <link mail window for sending>gabriele.hochsattel@vaa.de über Ihre Erfahrungen berichten.
Christian Lange ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der VAA Geschäftsstelle in Köln.