Kein Rücktritt von Aufhebungsverträgen bei Insolvenz
Ein Arbeitnehmer kann nicht wirksam von einem Aufhebungsvertrag zurücktreten, wenn die Nichtzahlung der Abfindungssumme allein auf die Insolvenz des Arbeitgebers zurückzuführen ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Ein Arbeitnehmer hatte im Oktober 2007 mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen und darin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 sowie eine Abfindungssumme von rund 110.000 Euro vereinbart. Die Abfindungssumme sollte mit der letzten monatlichen Vergütung im Dezember 2008 ausgezahlt werden.
Anfang Dezember 2008 beantragte der Arbeitgeber die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht bestellte daraufhin einen vorläufigen Insolvenzverwalter, ohne dessen ausdrückliche Zustimmung keine Zahlungen getätigt werden durften. Die Abfindung wurde nicht ausgezahlt. Nachdem der Kläger zwei Mal erfolglos die Zahlung der Abfindung gefordert hatte, erklärte er im Januar 2009 seinen Rücktritt von dem geschlossenen Aufhebungsvertrag.
Im April 2009 wurde der Betrieb des Arbeitgebers durch den Insolvenzverwalter an einen neuen Inhaber veräußert. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Feststellung des Fortbestandes seines Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage des Arbeitnehmers statt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Entscheidungen nun aufgehoben (Urteil vom 10. November 2011, 6 AZR 357/19). Nach Auffassung des BAG endete das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 2008, weil der Arbeitnehmer nicht wirksam von dem geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten war. Das Gericht betonte, dass ein Arbeitnehmer im Prinzip von einem Aufhebungsvertrag zurücktreten kann, da seine Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Abfindungszusage des Arbeitgebers steht. Dieses Rücktrittsrecht wurde nicht ausdrücklich außer Kraft gesetzt und der Arbeitnehmer hatte dem Arbeitgeber eine angemessene Frist zur Zahlung der Abfindung gesetzt.
Er hätte also grundsätzlich von dem Aufhebungsvertrag zurücktreten können, als die Abfindung nicht gezahlt wurde. Allerdings verwies das BAG darauf, dass das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB die Durchsetzbarkeit der Forderung voraussetzt. Daran fehlt es, wenn der Schuldner nicht leisten kann oder darf.
§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
Da der Arbeitgeber die Abfindungssumme aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts nicht auszahlen durfte, war der Abfindungsanspruch nicht durchsetzbar.
Somit konnte der Arbeitnehmer nicht wirksam von dem Aufhebungsvertrag zurücktreten. Sein Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 2008 und wurde nicht von dem im April 2009 stattfindenden Betriebsübergang erfasst.
VAA-Praxistipp
In einer weiteren Entscheidung hat das BAG entscheiden, dass auch ein Rücktritt von einem Aufhebungsvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam ist. Damit haben die Erfurter Richter klargestellt, dass sich Arbeitnehmer von einem geschlossenen Aufhebungsvertrag bei insolvenzbedingter Nichtzahlung der Abfindung nicht ohne weiteres lösen können. VAA-Mitglieder sollten sich deshalb vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages von den Juristen des VAA beraten lassen, um bei einer drohenden Insolvenz entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.