EuGH: Mitbestimmung darf durch SE-Gründung nicht unterlaufen werden
Bei der Umwandlung einer Gesellschaft nationalen Rechts in eine Europäische Gesellschaft (SE) darf die Beteiligung der Gewerkschaften bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht verringert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Die Gewerkschaften IG Metall und ver.di hatten sich vor deutschen Gerichten gegen die Modalitäten der Bestellung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der SAP SE gewandt, der paritätisch aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammengesetzt ist. Diese Regelungen sahen vor, dass im Zuge der Verringerung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder von 18 auf zwölf im Zuge der Umwandlung von SAP von einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) die Gewerkschaften weiterhin Kandidaten für einen Teil der sechs Sitze der Arbeitnehmervertreter vorschlagen können. Diese Kandidaten werden jedoch nicht mehr in einem von dem der Wahl der übrigen Arbeitnehmervertreter getrennten Wahlgang gewählt, wodurch nicht mehr sichergestellt ist, dass sich unter den Vertretern der Arbeitnehmer in diesem Aufsichtsrat auch tatsächlich ein Gewerkschaftsvertreter befindet.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Ansicht, dass unter Zugrundelegung des deutschen Rechts dem Antrag der beiden Gewerkschaften stattzugeben und die Unwirksamkeit der streitigen Regelungen festzustellen wäre. Denn nach deutschem Recht müsste bei der Gründung einer SE durch Umwandlung der Einfluss der Arbeitnehmer auf die Beschlussfassung der die Gesellschaft prägenden Elemente eines Verfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer in gleichwertigem Umfang erhalten bleiben. Die Anwendung eines getrennten Wahlgangs für die Wahl der von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Kandidaten habe gerade den Zweck, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter auf die Beschlussfassung innerhalb eines Unternehmens zu stärken.
So werde sichergestellt, dass zu diesen Vertretern Personen gehörten, die über ein hohes Maß an Vertrautheit mit den Gegebenheiten und Bedürfnissen des Unternehmens verfügten, und gleichzeitig externer Sachverstand vorhanden sei. Da das BAG Zweifel hatte, ob die der europäischen Regelungen zur SE-Gründung in dieser Hinsicht ein geringeres Schutzniveau vorsehen als das deutsche Recht, ersuchte es den Europäischen Gerichtshof um Auslegung der entsprechenden Richtlinie.
Der EuGH entschied, dass die für eine durch Umwandlung geschaffene SE geltende Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der SE in Bezug auf die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Kandidaten einen getrennten Wahlgang vorsehen muss, sofern das anwendbare nationale Recht einen solchen getrennten Wahlgang vorschreibt. Da im Fall von SAP das deutsche Mitbestimmungsrecht maßgebend ist, hätte also ein getrennter Wahlgang erfolgen müssen. Der Gerichtshof hob in seinem Urteil ausdrücklich hervor, dass der Unionsgesetzgeber eine Einschränkung oder Beseitigung der nationalen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer bei der SE-Gründung gerade vermeiden wollte.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des EuGH ist ein wichtiges Signal zur Stärkung der ausgeprägten Rechte der Arbeitnehmer in Deutschland im Rahmen der Mitbestimmung. Der VAA geht davon aus, dass die Entscheidung des EuGH auch auf den Sitz des leitenden Angestellten im Aufsichtsrat anwendbar ist.