Steuernachzahlungen: Höhe des Zinssatzes ist verfassungswidrig
In der Rubrik Steuer-Spar-Tipp des VAA Newsletters geben die Experten des VAA-Kooperationspartners Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag jeden Monat Ratschläge zur Steueroptimierung.
Das Bundesverfassungsgericht hat bekannt gegeben, dass es in zwei Verfahren die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 Prozent (sechs Prozent im Jahr) auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen des Finanzamts für verfassungswidrig erklärt hat. Die Kläger hatten geltend gemacht, dass der gesetzliche Zinssatz im Vergleich zum viel niedrigeren Marktzinssatz für Geldanlagen stark überhöht sei, was die Finanzverwaltung bisher bestritten hatte.
Die Verfassungsrichter haben in ihren Beschlüssen vom 8. Juli 2021 (Aktenzeichen: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) die Höhe des in § 238 Absatz 1 Abgabenordnung festgelegten gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 Prozent für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 als verfassungswidrig eingestuft. Das betrifft insbesondere die Einkommensteuer, aber auch die Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer et cetera.
Die Verzinsung von Steuernachzahlungen mit einem realitätsfernen Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des betreffenden Steuerjahres stellt für das Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern gegenüber jenen dar, deren Steuer bereits vorher vom Finanzamt endgültig festgesetzt worden ist und die deshalb keine Zinsen ans Finanzamt zahlen müssen. Diese Ungleichbehandlung sieht das Bundesverfassungsgericht für die Jahre 2010 bis 2013 als noch verfassungsgemäß an, ab dem Jahr 2014 aber nicht mehr. Vielmehr sei eine Verzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz erforderlich.
Achtung: Diese Unvereinbarkeit der Verzinsung mit dem Grundgesetz umfasst umgekehrt auch die Erstattungszinsen, die das Finanzamt einem Steuerpflichtigen zahlt, der erst nach 15 Monaten seine Steuererstattung erhält.
Senkung des Zinssatzes ab 1. Janaur 2019
Ein Wermutstropfen für Steuerpflichtige, die Nachzahlungen leisten mussten: Das Verfassungsgericht sieht die bisherige Vorschrift in der Abgabenordnung trotz ihrer Verfassungswidrigkeit nicht rückwirkend ab 2014 als nichtig an, sondern hat sie bis einschließlich 2018 für weiter anwendbar erklärt. Der bisherige Zinssatz gilt also letztmals für in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume. Das bedeutet, dass für Verzinsungen ab 1. Januar 2019 der Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent nicht mehr vom Finanzamt angesetzt werden darf.
Wie geht es weiter?
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Steuergesetzgeber keinen konkreten Zinssatz vorgegeben, sondern diesen nur verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Diese muss sich dann rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstrecken und alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide erfassen.
Das Finanzamt muss also die Zinsen rückwirkend ab 2019 neu berechnen, sodass es bei Steuernachzahlungen zu einer teilweisen Zinserstattung an die Steuerpflichtigen kommen kann. Bei Steuererstattungen wird dagegen eine Rückzahlung der zu hohen Zinsen an das Finanzamt fällig. Steuerpflichtige, deren Zinsbescheide den vom Bundesfinanzministerium im Mai 2019 verfügten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, können die gesetzliche Neuregelung einfach abwarten.
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Dr. Torsten Hahn ist Leiter der Abteilungen Publishing & Medienproduktion des VAA-Kooperationspartners Wolters Kluwer Steuertipps.
