Klimaschutz: Richtig handeln!
Bevor in der vorletzten Woche die Schulferien in Nordrhein-Westfalen angefangen haben, wurde es freitags regelmäßig laut in meinem Büro. Denn die Kölner Geschäftsstelle des VAA liegt nicht nur am Zugweg des Rosenmontagsumzuges, sondern auch an der Marschroute der Fridays-for-Future-Demos, mit denen Schüler und Studenten wöchentlich für stärkeren Kilmaschutz demonstrieren. Dass so viel Engagement Wirkung zeigen kann, sieht man an der derzeitigen Klimadebatte in Deutschland. Natürlich hat auch der Hitzesommer 2018 dazu beigetragen, das Thema auf der Agenda nach vorn zu bringen. Auch der Entwurf des Bundesumweltministeriums für ein Klimaschutzgesetz wurde schon im Frühjahr 2019 bekannt, als die Schülerproteste gerade erst an Fahrt aufnahmen. Aber ich persönlich habe durchaus den Eindruck, dass die Diskussion durch die Demos der jungen Menschen insgesamt mehr Nachdruck bekommen hat, als es ohne so eine wiederkehrende Erinnerung an die Stimmungslage der nachwachsenden Generation der Fall gewesen wäre.
Das kann man unter anderem daran ablesen, dass inzwischen von verschiedenen Seiten eine umfassende Bepreisung von CO2-Emissionen gefordert wird, so zum Beispiel in der vergangenen Woche in einem Sondergutachten der sogenannten Wirtschaftsweisen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verweist darauf, dass in den Sektoren Verkehr und Gebäude – die derzeit zusammen immerhin für rund 30 Prozent der in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich sind – bislang kein Preis für CO2-Emissionen gezahlt werden muss. Anders sieht es für Energiewirtschaft und Industrie aus: Diese Sektoren werden vom EU-Emissionshandel erfasst, der einen rechtsverbindlichen Minderungspfad vorschreibt und durch den jede Tonne CO2 ein Preisschild bekommt. Derzeit sind das rund 26 Euro, mittelfristig wird der Preis durch verschiedene Regulationsmechanismen wohl auf über 40 Euro steigen. Und dieses Instrument wirkt: Seit der Einführung 2005 ist der Ausstoß von Treibhausgasen durch die Energiewirtschaft und die Industrie um 26 Prozent gesunken, bis 2030 werden es 43 Prozent sein. Dazu haben auch die deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen maßgeblich beigetragen, die ihre Produktion seit 1990 um mehr als 70 Prozent erhöht und dabei die Treibgasemissionen um fast 50 Prozent gesenkt haben.
Die hohe Effektivität des Emissionshandels lässt es naheliegend erscheinen, dieses Instrument auch auf die Sektoren Verkehr und Gebäude auszuweiten. Doch hier ist Vorsicht geboten. Denn die Reduktion von Treibhausgasemissionen im Verkehrs- und Gebäudebereich ist deutlich teurer als in den bislang vom Emissionshandel erfassten Sektoren. Folglich müsste der Preis für die CO2-Zertifikate erheblich ansteigen, um einen Anreiz für zusätzliche Reduktionsmaßnahmen entstehen zu lassen. In einem gemeinsamen Emissionshandelssystem würde das für die Industrieunternehmen bedeuten, dass sie ihre Produktion nicht mehr wirtschaftlich fortsetzen können. Die Folge wären Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland, wo günstigere Rahmenbedingungen für die Industrieproduktion bestehen. Das würde nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa nach sich ziehen, sondern im schlimmsten Fall sogar einen nachteiligen Effekt in Sachen Klimaschutz haben.
Die Bepreisung von CO2-Emissionen muss deshalb – bei aller gebotenen Nachdrücklichkeit in Sachen Klimaschutz – mit Augenmaß angegangen werden. Deutschland sollte weder den gut funktionieren europäischen Emissionshandel durch weitergehende nationale Maßnahmen für Energiewirtschaft und Industrie beschädigen noch sollten der Verkehrs- oder der Gebäudesektor in dieses System mit aufgenommen werden. Wer die CO2-Emissionen dieser Sektoren wirksam mindern will, muss dafür ein eigenes System zur CO2-Bepreisung etablieren. Im Idealfall eines, das nicht nur Deutschland und Europa erfasst, sondern gleich alle Industriestaaten. Denn wirksamen Klimaschutz kann Deutschland nicht im Alleingang erreichen.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA