Industriepolitik: Parteien müssen Farbe bekennen!
Der Sommer ist da, doch ein mediales und politisches Sommerloch ist in diesem Jahr nicht zu befürchten. Die bevorstehende Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus und die Positionierung der politischen Parteien zu Themen wie Steuern, Rente und innerer Sicherheit wird von den Medien aufmerksam verfolgt. Aber wie halten es die Parteien eigentlich mit der Industriepolitik? Diese Frage hätte deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als ihr bislang zu Teil wird. Denn dass Deutschland im Moment ökonomisch so gut dasteht, hat viel mit dem im Vergleich zu anderen Ländern hohen Anteil an industrieller Wertschöpfung hierzulande zu tun. Fast ein Viertel unserer Wirtschaftsleistung findet in der Industrie statt.
Allerdings ist die Industrie auch besonders von Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, dem zunehmenden globalen Wettbewerb und der Digitalisierung betroffen. Die gut bezahlten Industriearbeitsplätze zu bewahren, ist deshalb eine zentrale Aufgabe für die deutsche Politik. Denn ohne eine starke produzierende Industrie gibt es keinen Wohlstand in Deutschland. Priorität gegenüber dem Streit über die Verteilung des Kuchens muss die Frage haben, wie man ihn vergrößern kann. Dass politisches Handeln und Entscheiden darauf zuvorderst ausgerichtet sein muss, scheint bei manchen in Vergessenheit geraten zu sein. Deutschland darf sich nicht auf seinen wirtschaftlichen Lorbeeren ausruhen, sondern muss die derzeitige Phase der Stärke nutzen, um sich für die Zukunft gut aufzustellen.
Faire Produktionsbedingungen und internationale Wettbewerbsfähigkeit lassen sich allerdings nicht mit einfachen Rezepten gewährleisten. Sie speisen sich aus dem Zusammenwirken von Maßnahmen aus verschiedenen Politikbereichen: Eine sinnvolle Energie- und Umweltpolitik spielt dabei ebenso eine Rolle wie eine innovationsfreundliche Gesundheits- und Agrarpolitik. Eine wirkungsvolle Forschungspolitik ist erforderlich, aber auch eine durchdachte Steuerpolitik. Häufig verschwimmen zudem die Grenzen zwischen diesen Politikfeldern. Ein gutes Beispiel dafür ist die steuerliche Forschungsförderung, die sowohl von Experten als auch von Organisationen aus der Industrie selbst – darunter dem VAA – schon lange gefordert wird.
Die Erklärung solcher Zusammenhänge mag anspruchsvoll sein und sich nicht immer für einen knackigen Slogan oder ein Wahlplakat eignen. Aber wer den Anspruch erhebt, die deutsche Gesellschaft politisch in die Zukunft führen zu wollen, muss sich dieser Herausforderung stellen und Farbe bekennen.
Rainer Nachtrab ist seit 2017
1. Vorsitzender des VAA.
