LAG Nürnberg: Privatüberwachung erkrankter Beschäftigter ohne Verdacht nicht rechtens

Ohne hinreichende Verdachtsmomente ist ein Arbeitgeber nicht befugt, einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auf seinem Privatgrundstück beobachten und filmen zu lassen. Das hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschieden.

Die LAG-Richter stellten klar, dass die heimliche Überwachung auf dem Privatgrundstück des erkrankten Arbeitnehmers einen erheblichen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers darstellt, der allenfalls durch konkrete Verdachtsmomente für eine schwere Pflichtverletzung hätte gerichtfertigt werden können. Da solche Verdachtsmomente in diesem Fall nicht vorlagen, war laut LAG sowohl die Videoaufzeichnung als auch der schriftliche Bericht der Detektei im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertbar. 

Unabhängig davon stand allerdings für das LAG aufgrund der eigenen Aussagen des Arbeitnehmers im Verfahren fest, dass dieser seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erheblich verletzt hat. Es verstehe sich von selbst, dass man mit einer Schulterverletzung einen Bodenstampfer nicht bedienen soll. Eine solche Verletzung der Rücksichtnahmepflicht sei an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Da entsprechend den Aussagen des Arbeitnehmers allerdings nur von einer relativ kurzen Betätigung des Bodenstampfers auszugehen sei, wäre aus Sicht des LAG unter Abwägung der Interessen der beiden Vertragsparteien dem Arbeitgeber die Beschäftigung bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung zumutbar gewesen. Die außerordentliche Kündigung wegen genesungswidrigen Verhaltens ohne vorherige Abmahnung war somit unwirksam. 

Das LAG entschied zudem: Die durch geänderte und schlechte Arbeitsbedingungen gegen den Arbeitnehmer zum Ausdruck kommende feindselige Haltung des Arbeitgebers kann bei der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers rechtfertigen. Die Höhe der entsprechenden Abfindung wurde durch das LAG allerdings auf 35.000 Euro festgesetzt, weil der Arbeitnehmer durch seine Pflichtverletzungen eine erhebliche Mitverantwortung an der Störung des Arbeitsverhältnisses trage. 

VAA-Praxistipp

Auch wenn Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ihrer Beschäftigten haben, dürfen sie diese nicht einfach heimlich überwachen – insbesondere nicht auf deren Privatgrundstück. Allenfalls hinreichende Verdachtsmomente für Straftaten oder andere schwere Pflichtverletzungen können solche Maßnahmen laut LAG Nürnberg rechtfertigen. Das Urteil des LAG zeigt, dass auf diesem Weg erlangte Beweismittel im Zweifelsfall im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertet werden dürfen.

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