Zwischen Pandemie und New Normal: hybride und selbstorganisierte Arbeitswelt
„Wir sind in einer Zwischenzeit“, schreibt Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und sieht am Ende der Entwicklung eine Arbeitswelt, die hybrid und selbstorganisiert sein wird. Mit Zwischenzeit bezeichnet sie jenen Zeitraum zwischen Corona, Rollback ins Büro und der Post-Corona-Arbeitswelt, in dem wir uns aktuell befinden. Und dies schon seit einigen Jahren, denn das Verständnis unserer Arbeitswelt wandelt sich schon seit dem Beginn der Digitalisierung und den Postwachstumsbewegungen.
In zahlreichen Publikationen konnte man lesen, dass die klassische Berufskarriere ausgedient hat und die Sinnfrage in den Vordergrund gerückt ist. Grenzen zwischen Leben und Arbeiten seien im Alltag auf produktive Weise verschwommen. In Zukunft gelte als Arbeit die Summe aller Beschäftigungen in unterschiedlichen Lebensphasen. Bereits in den 1980er Jahren entwickelte der österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann das Konzept der Neuen Arbeit, mit dem er nicht nur nach neuem Sinn in der Arbeit suchte, sondern auch die Arbeits- die Lebenswelt verändern wollte.
Wem diese Worte zunächst noch zu sehr nach New Age und anderen Dingen klangen, der wurde im Zuge der Corona-Pandemie unsanft aus seiner traditionellen Sicht auf die Arbeitswelt gerissen. Das Virus mutierte zum Brandbeschleuniger einer Entwicklung, der sich niemand entziehen konnte und kann. Es ging nicht mehr nur um „Scrum“, „Design Thinking“ oder „Hackathons“. Und es ging auch nicht mehr allein um „Home-Office“ und „Telearbeit“. Wenn der tägliche Weg zum Büro und ein gemeinschaftliches Arbeiten in gemeinsamen Büros durch die Pandemie unmöglich wird und die physische Erreichbarkeit nicht mehr garantiert werden kann, dann steht ein grundsätzlicher Wandel an.
Es gehe ums große Ganze, schrieben manche Autoren. Die rationale Leistungsgesellschaft des Industriezeitalters mit Überstunden, Konkurrenzkampf und Präsenzzeiten habe sich als nicht zukunftsfähig erwiesen, war zu lesen. Damit war einer Definition von New Work der Weg geebnet, die allerdings auch Widerspruch hervorrief. Man solle das Thema einfach etwas niedriger hängen. Arbeit müsse immer gemacht werden, das Ergebnis zähle und nicht die Rahmenbedingungen, in denen diese Ergebnisse erreicht würden. Aber selbst wenn man die Definition von New Work zurückführt auf die Schaffung eines menschenfreundlichen Arbeitsumfelds, in dem aus intrinsischen Motiven heraus gearbeitet, starke Leistungen vollbracht und die Übernahme unternehmerischer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und der Umwelt garantiert wird, so entsteht aus dieser Definition noch immer ein großer Auftrag gerade für Führungskräfte: Es geht um die konkrete Übersetzung zentraler Werte wie Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit, Teilhabe, Demokratisierung und Transparenz in den Arbeitsalltag.
Diesen Auftrag nimmt der VAA an. Er ist Deutschlands größter Führungskräfteverband und wird sich mit den Veränderungen der neuen Arbeitswelt intensiv auseinandersetzen, gerade weil auch Führung als solche sich verändert. Personal Skills sind wichtiger geworden, Erfahrungsaustausch und Kommunikation sind essenziell, die Vernetzung alle Akteure im Blick auf Best-Practice und smarte Kommunikation sind stärker denn je ein Erfolgsfaktor für gelingendes Arbeiten. Prozesse und Umfeld erfordern noch mehr Flexibilität und neue Konzepte.
Der VAA hat daher entschieden, sich beim Thema New Work als zentraler Akteur zu positionieren. Eine VAA-Plattform ist in Arbeit und wird zum Forum der Kommunikation und des Austausches über Best-Practice werden. Ansprechpartner in vielen Werksgruppen der Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie sind identifiziert und erheben den Anspruch, zum Treiber und Mittler der Veränderungen in der Arbeitswelt zu werden.
Besonders freuen wir uns, dass wir das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO für eine Zusammenarbeit gewinnen konnten. Gemeinsam starten wir zeitnah eine Umfrage unter unseren Mitgliedern, die zu einer umfassenden Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Ansätze und Konzepte und Unternehmensbeiträgen führen soll. Vorgesehen sind darüber hinaus Foren, Workshops und organisationsübergreifende Veranstaltungen, zum Beispiel mit der DECHEMA und IG BCE am 11. Mai in Frankfurt, auf der Ergebnisse und besonders erfolgreiche Umsetzungen von New Work präsentiert werden sollen.
Ich freue mich darauf und lade Sie schon heute ein, Ihren Ideen zum neuen Arbeiten vorzustellen. Schon immer hat sich der VAA mit der Arbeitswelt auseinandergesetzt. Seit seiner Gründung vor über hundert Jahren ist es unserem Verband ein Anliegen, gute Führung zu leben und voranzutreiben. Für unsere Führungskräfte bedeutet das damals wie heute, dass sie Orientierung geben, Verantwortung übernehmen und ihre Mitarbeiter motivieren müssen. Daran hat sich nichts geändert. Geändert haben sich allerdings Führungsstile und Führungsverhalten. Wie diese aussehen werden und wie sie New Work definieren und gestalten können, wie Produktivität, Entgrenzung, Arbeitszeitflexibiltät und zukunftsfähige Führung der Mitarbeiter im digitalen Zeitalter nach der Pandemie aussehen werden, wird eines der Schwerpunktthemen des VAA in Zukunft sein.
Stephan Gilow
Hauptgeschäftsführer des VAA
