Kann Pharma Deutschland retten?
Die Lage ist trübe, die Wirtschaftsaussichten dunkel. Kein Wachstum seit zwei Jahren und steigende Arbeitslosenzahlen. Geopolitische Krisen, fehlende Investitionen und eine verfallende Infrastruktur nagen an der Wirtschaftskraft des Landes: Schaut man auf die Automobil- oder Chemiebranche, könnte man ins Grübeln kommen.
Wo also sind die Leuchttürme der Industrie in Deutschland? Einer davon kann die Pharmabranche sein. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel könnte sie zu einem wichtigen Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft werden. Sie gehöre zu den produktivsten im Land und werde an Bedeutung gewinnen. Unter den größten 40 deutschen börsennotierten Unternehmen sind sieben Hersteller aus dem Gesundheitsbereich. Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz lobt die Pharmaindustrie als „Innovationstreiber“. Insgesamt haben nationale und internationale Unternehmen seit 2023 mehr als sieben Milliarden Euro in den Pharmastandort Deutschland investiert. So weit, so gut. Damit es so bleibt, sind eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen.
Zum einen sind gute politische Rahmenbedingungen auch in Zukunft nötig: Regulierung und Bürokratie müssen abgebaut, Innovations- und Grundlagenforschung weiter gefördert und das Digitalisierungstempo maßgeblich beschleunigt werden. Essenziell bleibt der Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften. Auch ausreichend hohes privates Kapital für Arzneimittelinnovationen am Standort Deutschland ist und bleibt wichtig.
In den Ampeljahren ist viel Vertrauen in den Standort Deutschland verloren gegangen. Zeichen der Besserung sind klar erkennbar. Die aktuelle Einigung von Union und SPD auf eine Reform der Schuldenbremse zur Finanzierung von Verteidigungsausgaben und ein Sondervermögen für die Infrastruktur ist gut und überfällig. Sie kann allen Branchen zugute kommen. Allerdings nur dann, wenn die Mittel richtig investiert werden. So darf das Infrastruktur-Sondervermögen nicht zu einem Verschiebebahnhof werden, um Gelder für soziale Zwecke umzuwidmen und mit der Gießkanne auszuschütten.
Deutschland galt einmal als die „Apotheke der Welt“. Die Pharmaindustrie war ein starker Wirtschaftsfaktor. Sie wirkte sich positiv auf andere Branchen wie Chemie, Maschinenbau und Zulieferer aus. Sie hat beste Chancen, auch in Zukunft als Schlüsselindustrie immer auch Jobmotor, Innovationstreiber, Investitionsmotor und Hoffnungsträger für medizinischen Fortschritt zu bleiben sowie Ansiedlungseffekte in Deutschland entstehen zu lassen.
Um zur Leitbranche in der Autonation Deutschland zu werden, ist es noch ein weiter Weg. Wirtschaftliche Bedeutung und Beschäftigtenzahlen liegen noch weit unter denen der Auto- oder Chemieindustrie. Doch spricht die Tendenz für Pharma. Die Arzneimittelhersteller stellen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die anderen bauen ab. Wie stark dieser Trend bleibt, ist aktuell nicht vorhersehbar. Und doch: Ein zukunftsfähiges Deutschland ohne Pharma ist schwer vorstellbar.
Stephan Gilow
Hauptgeschäftsführer des VAA
