EuGH: keine Verjährung des Urlaubsanspruchs ohne Aufforderung zum Urlaub
Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht auf den möglichen Verfall von Urlaub hingewiesen und den Arbeitnehmer nicht zur Inanspruchnahme aufgefordert hat, kann ein Urlaubsanspruch nicht verjähren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Eine Arbeitnehmerin hatte über Jahre hinweg ihren Urlaub von 24 Arbeitstagen pro Jahr nur teilweise genommen. Im März 2012 bescheinigte ihr der Arbeitgeber, dass der Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2011 und den Vorjahren Ende März 2012 nicht verfallen werde, weil die Arbeitnehmerin ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht antreten konnte. Als die Arbeitnehmerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Jahr 2017 die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen verlangte, verweigerte der Arbeitgeber die Abgeltung. Er berief sich drauf, dass der Urlaubsanspruch verjährt sei. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht.
Das Arbeitsgericht Solingen sprach ihr allerdings nur die Abgeltung von drei Urlaubstagen zu, das Landesarbeitsarbeit (LAG) Düsseldorf sah hingegen einen großen Teil des fraglichen Urlaubs nicht als verjährt an und sprach der Arbeitnehmerin die Abgeltung von weiteren 76 Urlaubstagen zu.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkannte hier einen möglichen Konflikt zwischen den deutschen Verjährungsvorschriften und der europäischen Arbeitszeitrichtlinie.
Es legte im Revisionsverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob eine Verjährung des Urlaub gemäß §§ 194 Absatz 1 und 195 BGB nach drei Jahren mit dem Europarecht vereinbar ist, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten hinsichtlich der Verjährung des Urlaubs gegenüber der Arbeitnehmerin nicht nachgekommt. Der EuGH entschied, dass ein Arbeitgeber sich nicht auf die Verjährung des Urlaubsanspruchs berufen kann, wenn er zuvor seine urlaubsrechtlichen Hinweis- und Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat. Er muss den Arbeitnehmer also konkret auf die drohende Verjährung des Urlaubsanspruchs hinweisen und zur Inanspruchnahme des Urlaubs auffordern.
VAA-Praxistipp
Der EuGH hat in seinem Urteil unterstrichen, dass Arbeitgeber weitreichende Hinweis- und Informationspflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern hinsichtlich der drohenden Verjährung von Urlaubsansprüchen erfüllen müssen. Kommen sie diesen Pflichten nicht nach, verjähren angesammelte Ansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub nicht nach drei Jahren.