Ergänzung statt Ersatz
Angesichts zunehmender Gefahren für den freien Handel in der Welt fällt es schwer, neue Ankerpunkte für eine Hoffnung auf die Aufrechterhaltung der globalisierten Wirtschaftsordnung zu finden. Manchmal hilft es, negative Emotionen zu dämmen und eine nüchterne Betrachtungs- und Herangehensweise zwischen erfolgreichen, ähnlich gesinnten Partnern an den Tag zu legen. Dies haben Japan und die EU getan, indem sie Mitte Juli ihr unter dem Akronym JEFTA bekanntes Freihandelsabkommen unterzeichnet haben. Aus Sicht der chemisch-pharmazeutischen Industrie verdient dieser Schritt Anerkennung: Mut zum Fortschritt und das Bekenntnis zur Offenheit werden sich langfristig auszahlen. Die Gefahren durch eine dem Welthandel drohenden Zoll- und Quotenspirale sind trotzdem nicht zu unterschätzen. Kurzfristige nationale Vorteile sind nur vermeintliche Erfolge: Auf lange Sicht schaden sie allen Beteiligten. Mehr denn je kommt es deshalb auf Signale wie JEFTA an, um freie Wirtschaftsbeziehungen zwischen wichtigen Handelspartnern zu verteidigen. Nur so können Unternehmen ihr volles Potenzial ausschöpfen und Innovationen zur Entfaltung bringen. JEFTA kann aber nur ein erster Schritt sein: Es darf nicht bloß als Lückenfüller für das krachend gescheiterte EU-US-Freihandelsabkommen TTIP begriffen werden, sondern als ergänzender Baustein zur Festigung eines ins Wanken geratenen Systems.
Systembergreifend führt die Digitalisierung zu tiefgreifenden Veränderungen bis in kleinste Unternehmensbereiche hinein. Ohne moderne Informationstechnologien ist mittlerweile keine chemische Forschung mehr denkbar. Das Spezial im aktuellen VAA Magazin zeigt, wie durch die Kombination von Computer und Chemie Eigenschaften von Molekülen berechnet und auf eine mögliche Verwendung in der Wirkstoff- oder auch Materialentwicklung geprüft werden.
Dabei geht es auch hier nicht um den vollständigen Ersatz klassischer chemieexperimenteller Methoden durch die computergestützte Analyse, sondern um deren Ergänzung. Damit baut die neue „Datenchemie“ auf alte, bewährte Verfahren auf – beide Ansätze sind komplementär und steigern die Effizienz bei der Suche nach innovativen Werkstoffen und neuen therapeutischen Ansätzen in der Arzneimittelforschung.
Vom Streben nach Innovation und Effizienz sind Unternehmen auch stets getrieben, wenn es um den Umbau ihrer Unternehmensstrukturen geht. In der Chemieindustrie grassiert zurzeit das globale Übernahmefieber, bei dem Größe mit Macht gleichgesetzt wird. Die Stimmung bei vielen Führungskräften der Branche ist deshalb im Moment eher verhalten und von Unsicherheit geprägt, was sich natürlich auf ihre Befindlichkeit am Arbeitsplatz ausdrückt. Dazu hat der VAA mit seiner <link internal-link internal link in current>Befindlichkeitsumfrage ein sehr genaues und von den Unternehmensleitungen – je nach Konjunkturlage – geschätztes oder gefürchtetes Barometer entwickelt. In diesem Newsletter berichtet der VAA über die Ergebnisse der aktuellen Umfrage. Stimmungstechnisch hat sich über alle Unternehmen hinweg gesehen nur sehr wenig verändert, aber es gibt durchaus Bewegung im <link file:22692 download file>Ranking. Mit dem Leverkusener Kunststoffproduzenten Covestro hat dieses Ranking auch einen eindeutigen Spitzenreiter. Seit seiner Ausgliederung aus dem Bayer-Konzern 2015 erreicht das Unternehmen zum dritten Mal in Folge eine Spitzenplatzierung in der Umfrage. Dieses Resultat beweist: Veränderungen der Unternehmensstruktur können auch gemeinsam und zum Wohle der Arbeitnehmer bewältigt werden. Am Ende kommt es immer auf die konkrete Unternehmenskultur an.
Rainer Nachtrab ist seit 2017
1. Vorsitzender des VAA.