Mitbestimmung: Angriff abgewehrt
Arbeitnehmervertreter raus aus dem Aufsichtsrat! Mit dieser Forderung ist der Berliner Unternehmer Konrad Erzberger vor dem Kammergericht Berlin angetreten – und gescheitert. Erzberger hatte einige Aktien des Reiseveranstalters TUI und damit das Recht erworben, die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gerichtlich überprüfen zu lassen. Das tat er – mit der Begründung, durch das deutsche Mitbestimmungsgesetz würden Mitarbeiter im Ausland benachteiligt und die Freizügigkeit innerhalb der EU eingeschränkt. Da die Arbeitnehmerbank aufgrund der Nichtberücksichtigung von Arbeitnehmern im Ausland fehlerhaft zustande gekommen sei, dürfe der Aufsichtsrat nur aus Vertretern der Anteilseigner bestehen.
Bei seinen ersten beiden Versuchen, die deutsche Mitbestimmung auf diese Art zu untergraben – bei der Hornbach Baumarkt AG und beim Handelskonzern BayWa AG – hatten die zuständigen Gerichte Erzberger eine klare Absage erteilt. Im Fall TUI sah das zuständige Kammergericht Berlin die Lage weniger klar. Es legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die Beschränkung des Wahlrechts auf Beschäftigte im Inland mit dem Diskriminierungsverbot und der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar sei.
Damit hat das Berliner Gericht ohne Not das ganze System der deutschen Mitbestimmung infrage gestellt. Denn wenn der EuGH das Wahlverfahren für die Aufsichtsräte in Deutschland kippen würden, wären tiefgreifende Veränderungen im deutschen Mitbestimmungsrecht notwendig, die letztlich zulasten der Arbeitnehmervertretungen gehen würden.
Das wäre fatal, denn die Partizipation der Arbeitnehmer ist elementar für ihre Identifikation mit ihren Unternehmen. Und von dieser Identifikation profitieren auch die Arbeitgeber in Deutschland, denn Mitbestimmung sorgt erwiesenermaßen für eine bessere Corporate Governance und bessere wirtschaftliche Ergebnisse. Das hat sich nicht zuletzt in der zurückliegenden Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt.
Das deutsche Mitbestimmungsgesetz konnte sich bei seiner Verabschiedung im Jahr 1976 auf eine ungewöhnlich breite parlamentarische Mehrheit stützen, nur 22 Parlamentarier stimmten damals dagegen. Anlässlich des 40. Geburtstages im vergangenen Jahr bezeichnete der damalige Bundespräsident Gauck es zu Recht als „wichtiges Kulturgut“. So ein Kulturgut darf nicht einfach so über Bord geworfen werden! Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinen Schlussanträgen das deutsche Modell der Unternehmensmitbestimmung nun bestätigt hat. Es ist davon auszugehen, dass sich der Gerichtshof dem anschließen und damit ein klares Signal nach ganz Europa für die Stärkung der Mitbestimmung senden wird.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA