Ohne Parlament aus der Euro-Krise?
Griechenland und Frankreich haben am letzten Wochenende gegen das „deutsche Spardiktat“ gestimmt. Und plötzlich ist sie wieder da, die hektische Betriebsamkeit in Sachen Euro-Rettung.
Die mediale Aufmerksamkeit hierzulande galt vor der Wahl vor allem dem drohenden Konflikt um den Fiskalpakt mit einem Wahlsieger François Hollande. Dieser gespannte Blick auf das Votum der Franzosen war durchaus berechtigt, denn Frankreich war und bleibt Deutschlands wichtigster Partner bei der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union. Indes scheint sich nach der Wahl zusehends die Auffassung durchzusetzen, der neu gewählte Sozialist an der Seine werde sich schon beizeiten als Pragmatiker erweisen. Ein Tandem „Merkhollande“ scheint möglich.
Als wahres Sorgenkind der Währungsunion präsentiert sich nach der Wahl hingegen erneut Griechenland. In Frankreich ist die im Fiskalpakt verabredete Schuldenbremse unpopulär und hat dem linken Kandidaten zum Sieg verholfen. Die Griechen aber haben – entgegen der Hoffnung der europäischen Geldgeber – ihre alte Regierung für die Umsetzung der internationalen Sparvorgaben so heftig abgestraft, dass die Bildung einer neuen handlungsfähigen Regierung auf Basis dieses Wahlergebnisses praktisch ausgeschlossen ist.
Es ist der politischen Klasse in Griechenland nicht gelungen, die Bürger von den schmerzhaften Sparmaßnahmen zu überzeugen. Sparmaßnahmen, die von nationalen und internationalen Experten für notwendig befunden und von einer Experten-Regierung umgesetzt wurden. Nun geben sich seit einer Woche die Vorsitzenden der griechischen Parteien beim Versuch der Regierungsbildung die Klinke in die Hand. Am Ende läuft es auf Neuwahlen hinaus. Dann müsste Europa wieder hoffen. Hoffen, dass die Griechen beim zweiten Anlauf mit ihrem Votum eine stabile Koalition der Sparwilligen möglich machen. Bis Juni braucht Griechenland frisches Geld. Andernfalls droht eine Staatspleite, die nicht nur erhebliche Ansteckungsgefahr für andere Euro-Staaten birgt, sondern auch etliche Milliarden Euro deutsches Steuergeld kosten würde.
Wie soll es also weitergehen in Europa und in der Währungsunion? Am 23. Mai werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Sondergipfel darüber sprechen. Die ursprünglich für den 25. Mai im Bundestag geplante Abstimmung über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt will die Bundesregierung verschieben. Denn als Tauschhandel nach dem Muster „Biete Kreditbürgschaft, suche Haushaltsdisziplin“ soll der Pakt in Deutschland den Schirm legitimieren. Wie es aber mit dem Pakt weitergeht, soll erst auf dem Gipfel entschieden werden. Angela Merkel hat schon Bereitschaft signalisiert, ein ergänzendes Wachstumspaket zu schnüren. Die Herausforderung wird darin liegen, diese notwendigen Wachstumsimpulse ohne neue Schulden zu finanzieren.
Doch ob Wachstumspaket oder nicht, das eigentliche Problem ist aus meiner Sicht ein anderes: Europa droht im Zuge der Finanz- und Eurokrise zu einer Veranstaltung von Regierungschefs und Regierungslenkerinnen ohne demokratischen Unterleib zu werden. Kommt man innerhalb der supranationalen Strukturen von Europäischem Rat und Europäischem Parlament nebst Europäischem Gerichtshof nicht mehr zurecht, dann werden sie umgangen. Der Fiskalpakt ist ein Staatsvertrag mit Ewigkeitscharakter neben und außerhalb aller bestehenden europäischen Regelwerke. Er schränkt das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente ein. Dass wir als Steuerzahler, und mit uns der Haushaltsausschuss des Bundestages, vollends die Kontrolle darüber verlieren, was der Staat an langfristigen Verpflichtungen eingeht, kann nicht richtig sein. Wir können nicht den Ausnahmefall zur Regel machen. Es ist der Ausnahmefall, dass Staatsbürgschaften so schnell bereitgestellt werden müssen, um Finanz- und Kapitalmärkte zu beruhigen, dass langwierige Beratungen im Parlament zu riskant erscheinen. Es kann aber doch nicht angenommen werden, dies sei künftig die Regel.