Freistellung schützt nicht vor Kündigung
Verletzt ein Arbeitnehmer während einer Freistellungsphase seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise, ist eine fristlose außerordentliche Kündigung zulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen entschieden.
Ein Firmenkundenbetreuer einer Bank hatte mit seinem Arbeitgeber im Juni 2010 die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum Ende des Jahres und eine Freistellung bei Fortzahlung der Bezüge vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2010 vereinbart. Ende Juni übermittelte der Arbeitnehmer fast 100 E-Mails mit über 1.600 Dateianhängen von seinem beruflichen an sein privates E-Mail-Konto. Diese E-Mails enthielten unter anderem Daten der Bankkunden, eingeräumte Kreditlinien und Risikoanalysen für Unternehmen. Als die Bank von der Übermittlung erfuhr, kündigte sie dem Arbeitnehmer fristlos zum 20. Juli 2010. Dagegen klagte der Firmenkundenbetreuer erfolgreich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt.
§ 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
In der Berufung entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) anders und wies die Klage des Arbeitnehmers ab (Urteil vom 29.11.2011, Az. 7 Sa 246/11).
Es war der Ansicht, dass der Bank-Mitarbeiter eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen hat, die eine fristlose Kündigung rechtfertigte, obwohl das Arbeitsverhältnis tatsächlich nicht mehr vollzogen wurde. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung regelmäßig auf die Prognose des zukünftigen Verhaltens des Arbeitnehmers an. Der Firmenkundenbetreuer habe das in ihn gesetzte Vertrauen durch die Mitnahme geheimer Bankdaten jedoch so schwer erschüttert, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge nicht zumutbar gewesen seien. Die fehlende Wiederholungsgefahr stand dieser Erwägung aus Sicht der LAG-Richter nicht entgegen.
VAA-Praxistipp
Ob ein „wichtiger Grund" im Sinne des § 626 BGB vorliegt und somit eine fristlose Kündigung möglich ist, richtet sich nach zwei Voraussetzungen: Zunächst muss das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise verletzt werden. Im zweiten Schritt wird geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Bei dieser Interessenabwägung spielen Faktoren wie die Betriebszugehörigkeit, die Wiederholungsgefahr und der eingetretene Schaden eine Rolle.