VAA-Einkommensdaten als Quelle für die Wissenschaft
Anfang Februar 2024 ist die neue Runde der VAA-Einkommensumfrage gestartet. Prof. Christian Grund begleitet die Durchführung und Auswertung der Umfrage seit 2008 von wissenschaftlicher Seite. Im Interview erläutert er gemeinsam mit Alexandra Soboll, die sich seit 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl um die Umfrage kümmert, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse jenseits der VAA-Auswertungen aus den erhobenen Daten gewonnen werden können.
VAA Newsletter: Welche Datenquellen sind für wissenschaftliche Forschung zum Thema Einkommen geeignet und was unterscheidet die VAA-Einkommensumfrage in diesem Zusammenhang von anderen Erhebungen?
Grund: Für wissenschaftliche Untersuchungen lassen sich zum Beispiel Daten aus repräsentativen Umfragen wie dem sozioökonomischen Panel in Deutschland nutzen. Dieses Panel enthält viele Arbeitnehmer und hat den Vorteil, dass es insgesamt repräsentativ für Deutschland ist. Anders als bei den Daten aus der VAA-Einkommensumfrage gibt es allerdings keine Zuordnung zu Unternehmen und man hat auch nur den Bruttolohn, keine Entlohnungsbestandteile. Zudem ist ein bunter Strauß an Personen in dem Panel enthalten, sodass keine Vergleichbarkeit gegeben ist. Man kann also allgemeine Auswertungen machen, die aber viel weniger in die Tiefe gehen, weil dezidierte Informationen fehlen. In dieser Hinsicht ist die VAA-Einkommensumfrage wirklich einmalig.
Frau Soboll, Sie erstellen am Lehrstuhl von Professor Grund auf Basis der Umfrageergebnisse Auswertungen, die der VAA in Form von Broschüren, dem Gehalts-Check sowie für Werksgruppen- und Branchenauswertungen nutzt. Darüber hinaus nutzen Sie selbst die Daten aber auch für die wissenschaftliche Forschung. An welchen Fragestellungen arbeiten Sie persönlich?
Soboll: Im Rahmen meiner Promotion beschäftige ich mich mit der Selbstbeurteilung der Leistung, die seit einigen Jahren im Rahmen der Einkommensumfrage abgefragt wird. Anhand der VAA-Daten konnten wir feststellen, dass sich ein Großteil der Umfrageteilnehmer im Verhältnis zu ihren Kollegen selbst eine höhere Leistung zuschreibt. In einem ersten Projekt haben wir uns mögliche Einflussfaktoren auf diese Selbsteinschätzung angeschaut, beispielsweise die Hierarchiestufe und monetäre Aspekte wie Bonuszahlungen und Steigerungen beim Fixeinkommen. In einem zweiten Projekt haben wir untersucht, welche Konsequenzen diese Selbsteinschätzung haben kann. Zum Beispiel, ob die Selbsteinschätzung mit der Arbeitszufriedenheit und der späteren Job-Performance der Teilnehmer in Zusammenhang steht.
Herr Grund, sie begleiten die Einkommensumfrage seit mehr als 15 Jahren. Welche anderen Themenschwerpunkte und Erkenntnisse auf Basis der Umfragedaten gab es seit 2008?
Grund: Das kann man in verschiedene Bereiche einteilen. Als es damals losging, gab es fast keine Daten zur Rolle von Bonuszahlungen. Dann kam direkt die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09, bei der natürlich hinsichtlich Einkommen sehr viel passiert ist. Mit der damaligen Mitarbeiterin am Lehrstuhl habe ich mir genauer angeguckt, wie sich das entsprechend auf die Bonuszahlungen ausgewirkt hat.
Wir hatten rund 1.000 Personen in der Einkommensumfrage, die wir in einem Vierjahreszeitraum von 2008 bis 2011 verfolgen konnten, um die Entwicklung vom Einbruch der Bonuszahlungen bis zum Wiederanstieg zu verfolgen und auszuwerten. Im Mittelwert, aber auch in der Verteilung, denn es gibt ja immer Gewinner und Verlierer. Ein anderer Bereich, der auch stark von den Vorteilen der VAA-Einkommensdaten profitiert, sind Vergleichsprozesse. Dadurch, dass wir gute Informationen über die Hierarchieebene der Teilnehmer haben, können wir Aussagen dazu treffen, wie sich das Einkommen einer Person entwickelt im Vergleich zu anderen, die im gleichen Unternehmen oder in einem anderen Unternehmen auf einer vergleichbaren Stelle arbeiten. Ein weiterer Themenbereich, den wir mithilfe der Umfragedaten untersucht haben, sind Unterbrechungen der Erwerbskarriere. Dazu konnten wir beispielsweise ein Paper zu den Auswirkungen von Elternzeit auf Gender-Pay-Gaps veröffentlichen.
Die aktuelle Einkommensumfrage ist Anfang Februar gestartet. Warum ist eine möglichst hohe Zahl von zurückgesendeten Fragebögen für die Auswertungen so wichtig?
Soboll: Je mehr Personen teilnehmen, desto genauer ist das Bild, das wir von der Einkommenssituation bekommen. Es gilt aber auch: Auswertungen für einzelne Unternehmen oder Werksgruppen setzen voraus, dass eine ausreichende Zahl an Personen teilnimmt, denn die statistischen Verfahren brauchen eine gewisse Mindestanzahl an Rückläufen, um valide Ergebnisse zu generieren.
Sind die Daten von Mitgliedern, die zwischendurch nicht teilgenommen haben, für den Längsschnitt denn überhaupt noch nutzbar?
Grund: Es gibt statistische Verfahren, die auch bei einem nicht vollständigen Längsschnitt die Informationen nutzen können. Jede Teilnahme zählt und auch, wenn man es in einem Jahr mal nicht geschafft hat, ist ein Wiedereinstieg immer sinnvoll. Wir sind allen VAA-Mitgliedern, die sich an der Umfrage beteiligen, sehr dankbar.
Prof. Christian Grund ist Inhaber des Lehrstuhls für Personal an der RWTH Aachen. Zuvor hatte er Professuren an den Universitäten Würzburg und Duisburg-Essen inne. Die VAA-Einkommensumfrage betreut er seit 2008.
Alexandra Soboll hat Betriebswirtschaftslehre an der RWTH Aachen studiert und ist dort seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Personal. Die VAA-Einkommensumfrage betreut sie seit 2021.
Die vollständige Fassung des Interviews gibt es in der Webversion der Februarausgabe des VAA Magazins.