EuGH: Urlaub verfällt nicht
Das deutsche Urlaubsgesetz sieht entgegegen der EG-Arbeitszeitrichtlinie vor, dass Alturlaub spätestens nach den ersten drei Monaten im neuen Jahr erlischt.
Kann ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit, seinen Urlaub innerhalb des Kalenderjahres, oder bis zum Ende des Übergangszeitraumes im Folgejahr nicht nehmen, besteht der Anspruch auf Urlaub fort und erlischt nicht. Deshalb ist der Urlaubsanspruch im Zweifel auch abzugelten. Das folgt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; Rs C-350-06 vom 20.01.2009) aus Artikel 7 der EG-Richtlinie 2003/88 zur Arbeitszeit.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) hatte den Fall eines 60-jährigen deutschen Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst dem EuGH vorgelegt. Er war lange erkrankt und schließlich vorzeitig in Rente gegangen. Wegen seiner Krankheit konnte er weder 2004 noch 2005 seinen Jahresurlaub nehmen. Der Arbeitgeber verweigerte den Antrag des Arbeitnehmers, den Urlaub später zu nehmen. Er wollte zugleich den Urlaub nicht ausbezahlen.
Die Entscheidung des EuGH wird die Regeln des deutschen Urlaubsrechts verändern
Die Entscheidung des EuGH wird die Regeln des deutschen Urlaubsrechts verändern. Das Bundesurlaubsgesetz besagt nach seinem Wortlaut, dass der Jahresurlaub innerhalb des Kalenderjahres oder in dringenden Fällen in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen und gewährt werden muss.
Dies ist laut EuGH zwar grundsätzlich zulässig. Der gesetzliche Urlaubsanspruch dürfe jedoch nicht erlöschen, weil jemand durchgängig krank und deshalb nicht in der Lage war, den Urlaub anzutreten. Das gelte auch dann, wenn der Betroffene das ganze Jahr lang nicht gearbeitet hat oder bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses krank war.
Wenige Tage nach Erlass der EuGH-Entscheidung hat das LAG Düsseldorf dem Kläger im Ausgangsfall Recht gegeben (Entscheidung vom 02.02.2009; 12 Sa 486/06). Normalerweise müssen europäische Richtlinien erst ins nationale Recht umgesetzt werden. EU-Bürger können aus EU-Richtlinien aber in bestimmten Konstellationen auch ohne nationale Umsetzungsgesetze Rechte herleiten. Die EU-Richtlinien müssen ihnen dann eindeutig Rechte im Verhältnis zum Staat verschaffen. Unter Privatleuten gelten die Richtlinien dagegen nicht unmittelbar. Da die öffentliche Hand hier Arbeitgeberin des Klägers war, konnte das LAG Düsseldorf sich mit seinem Urteil direkt auf die Richtlinie und das dazu ergangene EuGH-Urteil stützen. Es hat zudem festgestellt, dass man das Bundesurlaubsgesetz richtlinienkonform auslegen kann. Dabei ist zu unterscheiden: Nur der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen verfällt nicht, vertragliche oder tarifvertragliche Ansprüche dagegen schon.
VAA-Praxis-Tipp:
Der VAA beobachtet und informiert, wie die nächsten Gerichtsentscheidungen im Urlaubsrecht ausfallen. Es kommt darauf an, ob die Mehrzahl der deutschen Gerichte, wie das LAG Düsseldorf, die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Bundesurlaubsgesetzes für möglich hält. Dann muss für Urlaubsstreitigkeiten, an denen nur Privatpersonen – und nicht die öffentliche Hand – beteiligt sind, nicht auf eine Anpassung des Bundesurlaubsgesetz gewartet werden. Entscheiden andere Gerichte rechtsdogmatisch vorsichtiger, dann wird für die Privatwirtschaft Rechtssicherheit ohne den Gesetzgeber nicht zu erlangen sein. Teuer wird es für die Unternehmen, früher oder später. Nicht genommener Urlaub ist abzugelten.
<link http: curia.europa.eu de actu communiques cp09 aff cp090004de.pdf external-link-new-window einen externen link in einem neuen>Zur EuGH-Entscheidung