Betriebsrätestärkungsgesetz: Mitbestimmung modern?
Die Zahl der Neuinfektionen sinkt nur langsam, die Lockdownmaßnahmen werden verlängert, die Verteilung der Impfstoffe kommt nur schleppend in Gang: Wenig erfreuliche Nachrichten rund um das Coronavirus beherrschen auch im neuen Jahr die Schlagzeilen. Als Optimist bin ich dennoch zuversichtlich, dass wir die Talsohle der Pandemie 2021 durchschreiten und es spürbar aufwärts gehen wird. In der Rückschau werden wir sicherlich auch an die Dinge denken, die sich durch Corona in der Arbeitswelt verändert haben: zum Beispiel die Metamorphose des Onlinemeetings vom notwendigen Übel interkontinentaler Arbeitsgruppen zum etablierten Format für den Austausch von Mitarbeitern, die sich – aus welchen Grund auch immer – nicht persönlich treffen können oder wollen. Aber auch die Ausbreitung und gleichzeitige Entzauberung des Homeoffice, das sich für viele Arbeitnehmer nicht als utopische Entfesselung von den Zwängen der Präsenzkultur, sondern als sehr realer Bestandteil einer nicht weniger fordernden Arbeitswirklichkeit entpuppt hat – mit handfesten Vor- und Nachteilen.
Die Große Koalition hat kurz vor Weihnachten den Gesetzgebungsprozess für einige rechtliche Veränderungen auf den Weg gebracht, die diesen und anderen Veränderungen der Arbeitswelt im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung Rechnung tragen sollen. Mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz soll unter anderem eine dauerhafte Möglichkeit für die Teilnahme an Betriebsrats- und Sprecherausschusssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz geschaffen werden. Die ist bisher nur durch eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Coronasonderregelung zulässig.
Diese Entfristung ist aus Sicht des VAA und seines politischen Dachverbandes ULA ein richtiger Schritt zur Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung. Sichergestellt werden muss dabei allerdings, dass die Möglichkeiten zum persönlichen Austausch der gewählten Arbeitnehmervertreter auch bei bestehenden digitalen Beratungs- und Beschlussfassungsmöglichkeiten nicht durch die Unternehmen behindert oder eingeschränkt werden – zum Beispiel, um Kosten zu sparen.
Ebenfalls Teil des Gesetzesvorhabens ist die Einführung eines neuen Mitbestimmungsrechts für Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. So sollen spezielle Betriebsvereinbarungen entstehen, die einen einheitlichen und verbindlichen Rahmen zum Schutz der Arbeitnehmer im Homeoffice gewährleisten. Diese Zielsetzung ist im Grundsatz richtig. Auch der VAA fordert in seiner Position zum mobilen Arbeiten, dass der Schutz der Arbeitnehmer vor Überlastung und gesundheitlichen Beeinträchtigungen unabhängig vom Arbeitsort gewährleistet sein muss. Allerdings darf die Regulierung durch die Betriebsparteien hier auch nicht über das Ziel hinausschießen. Denn mobile Arbeit kann nur mit einer funktionieren Vertrauenskultur erfolgreich sein. Dafür bedarf es zwar klarer Regeln hinsichtlich der Frage, wer, wann und wo mobil arbeitet. Aber am Ende des Tages geht es nicht ohne gegenseitiges Vertrauen. Viele Führungskräfte, für die diese Form der Arbeit auch vor Corona schon alltäglich war, wissen das aus langjähriger Erfahrung.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA