Tarifpluralität vor der Tür?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht möglicherweise vor einer richtungsweisenden Änderung seiner Rechtsprechung zum Prinzip der Tarifeinheit.

Eine Gesetzeslücke, die im Falle von Tarifpluralität zu einer Rechtsfortbildung berechtige, gebe es ebenfalls nicht. In der Tat ist der Grundsatz der Tarifeinheit nicht im Tarifvertragsgesetz erwähnt. Dieses Prinzip kam erstmals 1957 in einer Entscheidung des BAG zum Tragen und hatte den eher praktischen Hintergrund, die Tarifpolitik möglichst übersichtlich zu gestalten.

Der Beschluss vom 27.01.2010 (Az. 4 AZR 549/08 (A)) kündigt eine Kehrtwende nach jahrzehntelanger Praxis in der Rechtsprechung zur Tarifeinheit an. Eine abschließende Entscheidung steht aber noch aus: Da der Vierte Senat von der bisherigen Rechtsauffassung des Zehnten Senats abweicht, wurde nun der Zehnte Senat in einer sogenannten Divergenzanfrage um eine Stellungnahme gebeten. Der Zehnte Senat kann den Argumenten des Vierten Senats entweder folgen oder eine Grundsatzvorlage an den Großen Senat in die Wege leiten. Nimmt sich der Große Senat des Themas an, wird eine Entscheidung voraussichtlich im kommenden Jahr ergehen.

 Positive Ergänzungskonkurrenz

Die Aufhebung der Tarifeinheit hätte weitreichende Folgen für die Tariflandschaft und die jeweiligen Tarifpartner – Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Während letztere eine Zersplitterung der Belegschaft sowie permanente Arbeitskämpfe einzelner Berufsgruppen befürchten, sehen sich kleinere Gewerkschaften in ihren Positionen gestärkt. Tarifpluralität kann mittelfristig allerdings den Druck auf Spartengewerkschaften erhöhen, vermehrt Tarifgemeinschaften zu bilden. Das Ende der Tarifeinheit würde wohl auch politische und gesellschaftliche Diskussionen über grundlegende Änderungen im Arbeitskampf- und Betriebsverfassungsrecht anstoßen. Der VAA bestimmt sein Verhältnis als positive Ergänzungskonkurrenz, die von verantwortungsbewusstem Handeln auf beiden Seiten geprägt ist.

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