Zwischen Bonus, Feedback und Kultur: Wohin steuert die Leistungsbeurteilung?

Transparenz, Fairness und Wirksamkeit – an diesen Maßstäben sollten sich gute Performance-Management-Systeme messen lassen. Doch wie steht es darum in den Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche? Welche Erfahrungen machen Fach- und Führungskräfte? Im Interview mit dem VAA diskutieren Prof. Christian Grund von der RWTH Aachen, die Vorsitzende der VAA-Kommission Führung Katja Rejl und der Vorsitzende der VAA-Kommission Einkommen Dr. Hans-Dieter Gerriets über gute Leistungsbeurteilungen und den Nachholbedarf in der Industrie.

Und es gibt Fehlschläge: Ein Feldexperiment zur Anwesenheitsprämie ließ Normen erodieren – die Abwesenheit stieg. Entscheidend ist die kulturelle Passung. Denn was in den USA funktioniert – etwa Auszeichnungen zum „Mitarbeiter des Monats“ –, stößt in Deutschland eher auf Ablehnung.

Ziele ändern sich, Krisen wie in den letzten Jahren zeigen das brutal auf. Werden Ziele bei Schocks angepasst?

Gerriets: So gut wie nie. Erst kam Corona, dann der Krieg – jedes Mal waren Jahresziele plötzlich Makulatur. Gab es dann unterjährige Anpassungen? In 36 Dienstjahren habe ich das kaum erlebt. Stattdessen hieß es oft: Augen zu und durch, auch wenn Ziele objektiv nicht mehr erreichbar waren und ganz andere Themen hätten Beachtung finden müssen.

Grund: Das befördert im Übrigen relative Systeme: Wenn alle gleichermaßen vom Schock betroffen sind, bleibt die Relation – man spart sich Anpassungen. Aber solche relativen Verfahren bringen wiederum eigene Nebenwirkungen mit. Genau diese Schleifen sehe ich immer wieder.

Was raten Sie der Branche? Gibt es eigentlich so eine Art Vorbildsystem, das oft funktioniert?

Grund: Pauschale Empfehlungen sind schwierig. Theoretisch ließe sich die VAA-Befindlichkeitsumfrage mit den Einkommensdaten hervorragend kombinieren: Das gäbe spannende Einblicke, wird aber aktuell nicht gemacht, weil die Zusammenführung der Datensätze problematisch ist. Anhand anekdotischer Evidenz werden in einigen Unternehmen kollektive Maße mit geringer Spreizung von Einzelunterschieden positiv wahrgenommen. In US-Firmen fühlten sich Top-Performer in solchen Settings teilweise unterwertschätzt. Es hängt wieder alles an der Einbettung und der Unternehmenskultur.

Rejl: Oh ja, denn dieses sogenannte Low-Performer-Management gelingt nur mit einem funktionierenden Prozess. Ohne den richtigen Prozess verschwinden Menschen im Rauschen – geholfen ist ihnen damit nicht. Und selbst wenn „Forced Distribution“ offiziell verschwinden mag, wird sie nicht selten informell doch weiter gewünscht sein – mit den bekannten Effekten. Gute Führung heißt eben auch, die Rollen zu schärfen, Aufgaben neu zuzuschneiden und notfalls einen Team- oder Vorgesetztenwechsel zu ermöglichen.

Gerriets: Am Ende steht und fällt viel mit der Führungskraft. Wer Mitarbeitende entwickeln will, muss häufig intern kämpfen, und zwar manchmal durch mehrere Ebenen und teilweise bis hoch in den Vorstand. Es kostet Energie, konsequent Feedback zu geben und für Gehaltserhöhungen seiner Mitarbeitenden in der eigenen Linie einzutreten. Das weiß ich aus meiner aktiven Zeit als Vorgesetzter und Sprecherausschuss nur zu gut. Manche kleben dann eben ihre monetären „Pflaster“. Das sind dann kleine Boni statt echter Korrekturen beim Gehalt. So verliert man Leute zur Konkurrenz um die Ecke.

Die vollständige Fassung des Interviews wurde in der Oktoberausgabe des VAA Magazins veröffentlicht.

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