Erwerb von Sozialkapital bei einer Partie Schafkopf
Wofür kämpfen Wahlkämpfer eigentlich? Für Inhalte! Für die Zukunft! Für das Land! Mag alles sein, doch vor allem kämpfen sie um Stimmen. Sie werben um das Wählervertrauen. Was hat es eigentlich mit dem Vertrauen der Wähler auf sich? Spricht aus jeder abgegebenen Stimme gleichviel Vertrauen? Die Lebenserfahrung zeigt: Es gibt vertrauensvolle und misstrauische Menschen. Dieses alltagspraktische Wissen untersucht die Sozialwissenschaft unter dem Stichwort „Vertrauen als soziales Kapital“. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat dabei zutage gefördert: Im Jahr 2008 äußern 14 Prozent der Erwachsenen, dass sie ein hohes Maß an Vertrauen in die Mitmenschen hätten. Dagegen sind 40 Prozent eher zurückhaltend und vorsichtig.
Handelt es sich bei Vertrauen nicht um eine Charaktereigenschaft? So einfach ist es nicht. Vertrauen ist in gewissen Grenzen gesellschaftlich „machbar“. Es kommt darauf an, wie sehr jemand sozial integriert ist. Akademiker äußern zu 25 Prozent, dass sie ihren Mitmenschen hohes Vertrauen entgegenbringen. Jeder fünfte, dessen Einkommen im Bereich des oberen Fünftels liegt, fasst leicht Vertrauen. Im unteren Einkommensfünftel tut dies gerade mal jeder Zehnte. Ohne Einfluss auf das soziale Kapital an Vertrauen sind dagegen Alter und Geschlecht.
Vertrauen ist gut ...
Wer vertraut, kontrolliert weniger. Kontrolle muss nicht allemal besser als Vertrauen sein. Kontrolle kostet Zeit, Kraft und auch Geld. Vor allem kostet sie Wendigkeit, Findigkeit und allerlei wünschenswerte Lebenserfahrungen. Strikt ökonomisch gesprochen, senkt Vertrauen Transaktionskosten, ja macht manche Transaktion erst möglich. In diesem Sinn kann man sich etwas unter dem Kunstbegriff „soziales Kapital“ vorstellen.
Blickt man über Rhein und Atlantik, dann sprechen die Franzosen von „capital social“ und die Amerikaner von „social capital“. Klingt ähnlich, ist aber grundverschieden. In Frankreich hat eine kleine Elite mit ihrem dichten Netzwerk Politik und Wirtschaft fest im Griff. Kontakte - der feine Unterschied - sind Gold wert.
Dagegen beklagen die Amerikaner, dass der in ihrer Gesellschaft stets gepriesene Individualismus inzwischen kaum mehr Gemeinschaftserlebnisse in Clubs und Vereinen zulässt. Der soziale Kitt werde rissig. Die Leute kämen immer öfter allein zum Bowlen.
Die Deutschen gelten als ein Volk von Vereinsmeiern. Traditionell leben Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in gepflegter Distanz zueinander – also verhält es sich mit dem sozialen Kapital etwas anders. Ein Sinnbild mag das bei Politik und Wirtschaft beliebte Skat sein. Denn beim Skat gehen das Erlebnis angelsächsischer Verbrüderung beim Kugelrollen und Kegelkippen und die gallische Freude am distinkt-elitären Wetzen des Intellekts eine glückliche Melange ein. Drei reizen, zwei kooperieren gegen einen und das Reih um, sodass zum guten Schluss jeder mit jedem kann. Genauso war es lange Zeit in der Parteienlandschaft, als nur drei um die Gunst der Wähler buhlten.
Im neuen Fünf-Parteiensystem zeigt sich aber, dass sich jenes Drittel der Wählerschaft, das von seinen sozialstrukturellen Daten am meisten soziales Kapitel einzubringen hat, vorwiegend auf zwei kleine Parteien verteilt. Im Wählerklientel der Grünen sind laut Infratest Dimap 11 Prozent Leitende Angestellte oder Beamte, bei den Liberalen 10 Prozent. 72 Prozent der Grünwähler haben Abitur oder Fachhochschulreife, nicht anders als bei der FDP, und 38 Prozent der Wähler beider Parteien verfügen über ein Haushaltseinkommen von mehr als 3000 Euro im Monat.
Es ist deshalb kaum zu viel von den Wahlkämpfern verlangt, dass die, von deren Klientel am ehesten Vertrauen und Aufgeschlossenheit erwartet werden kann, im Falle eines Koalitionsfalles auch einmal über ihren Schatten springen. Vielleicht hilft dabei ja eine Partie <link http: de.wikipedia.org wiki schafkopf external-link-new-window einen externen link in einem neuen>Schafkopf.