Kurzarbeit: Jahresurlaub darf gekürzt werden
Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller „Kurzarbeit Null“ keine Arbeitspflicht haben, kann der jährliche Urlaubsanspruch anteilig gekürzt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden.
Einer Teilzeitbeschäftigten in der Systemgastronomie standen für das Jahr 2020 laut Arbeitsvertrag 14 Tage Urlaub zu. Als Folge der COVID-19-Pandemie musste im Betrieb der Arbeitnehmerin Kurzarbeit eingeführt werden. Im Juni und Juli 2020 befand sie sich durchgehend in „Kurzarbeit Null“, ebenso im gesamten Oktober. Im November und Dezember 2020 arbeitete sie an insgesamt fünf Tagen. Der Arbeitgeber kürzte den Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin anteilig um ein Zwölftel für jeden vollen Monat Kurzarbeit Null. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht. Aus ihrer Sicht fehlte es an einer Rechtsgrundlage für eine solche Reduzierung. Arbeitnehmer hätten während konjunktureller Kurzarbeit keine den Erholungszwecken dienende Freizeit. Die Zeit während Kurzarbeit Null sei nicht planbar, da Arbeitnehmer jederzeit mit einer Wiederaufnahme der Arbeit rechnen müssten. Zudem unterlägen Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null zahlreichen sanktionsbewährten Verpflichtungen gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
In der Berufung gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) ebenfalls dem Arbeitgeber recht (Urteil vom 12. März 2021, Aktenzeichen: 6 Sa 824/20). Die LAG-Richter verwiesen darauf, dass sich die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht bestimmt.
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe festgestellt: Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub beruht auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Zwar gebe es auch für diese Grundsätze Einschränkungen, etwa im Hinblick auf Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.
Diese sei mit Kurzarbeit aber nicht zu vergleichen. Auch der Hinweis der Arbeitnehmerin, Kurzarbeit beinhalte keine planbare Freizeit, war aus Sicht des LAG unerheblich, weil es darauf nur ankäme, wenn man die Kurzarbeit als Erfüllung des Urlaubsanspruchs sehen würde. Das sei aber nicht der Fall, vielmehr führe die Kurzarbeit Null dazu, dass für die entsprechende Zeit gar kein Urlaubsanspruch entsteht.
VAA-Praxistipp
Die Frage, ob Urlaubsansprüche wegen Kurzarbeit gekürzt werden können, ist zwischen den Sozialpartnern umstritten. Arbeitgeber verweisen regelmäßig auf die aus ihrer Sicht unzumutbaren wirtschaftlichen Folgen, wenn sämtliche Arbeitnehmer nach Beendigung einer – gegebenenfalls ganzjährigen – Kurzarbeit Null ihren Jahresurlaub nehmen könnten. Arbeitnehmervertreter haben dagegen in der Vergangenheit bereits auf die aus ihrer Sicht fehlende Rechtsgrundlage hingewiesen: Dem Bundesurlaubsgesetz lasse sich nicht entnehmen, dass eine Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit zulässig sein soll. Das LAG hat mit seinem Urteil im Sinne der Arbeitgeber entschieden.
Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist möglich. Denn die abschließende Klärung der Frage, ob eine anteilige oder sogar vollständige Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Kurzarbeit nach deutschem Arbeitsrecht wirksam möglich ist, steht durch das BAG steht noch aus. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits entschieden, dass eine entsprechende Reduktion des Urlaubsanspruchs im Blick auf die europäische Rechtslage möglich ist.