Druckkündigung: Hohe Hürden für Wirksamkeit
Ein Arbeitgeber kann zur Kündigung eines Arbeitnehmers berechtigt sein, wenn die anderen Beschäftigten dies fordern und ihre Arbeit so lange niederlegen, bis der Arbeitgeber dem Kündigungsverlangen nachkommt. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch in einem U
Einem Arbeitnehmer war von seinem Arbeitgeber im September 2011 wegen des Verdachts einer außerdienstlich begangenen Straftat gekündigt worden. Der Arbeitnehmer wurde später wegen Kindesmissbrauchs strafrechtlich verurteilt, wehrte sich aber erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im April 2012 kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erneut, weil andere Mitarbeiter eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer abgelehnt hatten. Auch diese Kündigung wurde vom Arbeitsgericht als unwirksam eingestuft. Als der Arbeitnehmer zum Arbeitsantritt wieder im Betrieb erschien, weigerten sich die anderen Mitarbeiter, ihre Arbeit fortzusetzen, solange sich der Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände aufhielt. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich fristlos und sprach hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer erneut vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht. Dort wurde die außerordentliche Kündigung als unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch als wirksam beurteilt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied hingegen, dass auch die ordentliche Kündigung unwirksam war (Urteil vom 15. Dezember 2016, Aktenzeichen: 2 AZR 431/15). Zwar kann das Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, einen Grund zur Kündigung im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz sein. Die Erfurter Arbeitsrichter stellten aber klar, dass eine solche „Druckkündigung“ strengen Anforderungen genügen muss.
Insbesondere dürfe der Arbeitgeber dem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft nicht ohne weiteres nachgeben, sondern müsste sich vielmehr schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz solcher Bemühungen eine Verwirklichung der Drohung zu erwarten ist und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann die Kündigung als letztes Mittel gerechtfertigt sein.
Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer, die sich weigerten weiterzuarbeiten, auf die Rechtswidrigkeit ihrer Arbeitsniederlegung hinweisen und ihnen bei weiteren Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnungen und Lohnkürzungen androhen müssen. Da der Arbeitgeber solche Schritte nicht ergriffen hat, hat er aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht in ausreichender Weise versucht, den ausgebübten Druck anders als durch die Kündigung abzuwehren. Die Kündigung war deshalb unwirksam.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des BAG zeigt, dass an eine wirksame Druckkündigung sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn der Anlass für den Druck der Belegschaft eine moralisch besonders verwerfliche Straftat des Arbeitnehmers ist, die zu seiner beruflichen Tätigkeit aber keinen Bezug hat.