Compliance: Deutschkenntnisse aus Sicherheitsgründen
Trifft ein Unternehmer die Entscheidung, dass auch schriftliche Deutschkenntnisse zum Anforderungsprofil einer Stelle gehören, kann das als Diskriminierung gewertet werden.
Ein Unternehmer kann nicht gänzlich frei darüber entscheiden, inwieweit schriftliche Ausdrucksfähigkeit auf Deutsch zum Anforderungsprofil einer Stelle gehört. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) kann die Änderungen des Stellenprofils einschränken, wenn damit Diskriminierungen wegen ethnischer Herkunft einhergehen. Kündigungen, die auf einer diskriminierenden unternehmerischen Entscheidung beruhen, können unwirksam sein. Im konkreten Fall hatte sich ein Spanier, der nur schlecht Deutsch lesen und schreiben konnte, aber seit 29 Jahren die Spritzgussmaschine gut bediente, vor dem Landesarbeitsgericht Hamm erfolgreich gegen die verhaltensbedingte Kündigung gewehrt (LAG Hamm 16 Sa 544/08, Entscheidung vom 17.07.2008).
Zertifiziertes Qualitätsmanagement kann entscheidend sein, um im Wettbewerb zu bestehen und wichtige Aufträge zu behalten. Bei Audits wird geprüft, ob Vorgabedokumente, Arbeitsanweisungen und Prüfanweisungen von den Arbeitnehmern verstanden und entsprechend umgesetzt werden. Ähnliche Probleme stellen sich bei Sicherheitsvorschriften. Werden die zu bedienenden Maschinen und Prozesse komplexer, wächst auch der Umfang an Informationen, die zu beachten sind, damit die Qualität und die Sicherheit stimmt.
Dokumentationspflichten nehmen zu. Selbst einfache Tätigkeiten setzen daher zunehmend voraus, zuverlässig mit schriftlichen Dokumenten umgehen zu können. Fortschreibungen der Stellenprofile sind die logische Folge.
Die Belegschaften und das vorhandene Qualifikationsprofil ändern sich aber nicht unbedingt im gleichen Tempo. Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber dem Spanier vier Jahre lang die Gelegenheit gegeben, in Sprachkursen Deutsch zu lernen. Ermahnungen und Abmahnungen verliehen den Weiterbildungsangeboten Nachdruck und führten dem Mitarbeiter vor Augen, dass sein Arbeitsplatz in Gefahr ist, falls er nicht Deutsch besser lernt. Als alle Anstrengungen nicht fruchteten, kündigte die Arbeitgeberin mit Zustimmung des Betriebsrates.
Das Arbeitsgericht Herford hielt in erster Instanz die Kündigung sowohl wegen betriebsbedingten als auch wegen personenbedingten Gründen für sozial gerechtfertigt. Auch die unternehmerische Entscheidung zum Stellenprofil sei weder willkürlich noch unsachlich.
Anders das LAG Hamm: Das Gericht stellte fest, dass der Kläger durch die Anforderung schriftlicher
Deutschkenntnisse in besonderer Weise im Sinn von § 1 AGG benachteiligt werde, weil er als Spanier, der in Spanien seine Schulausbildung genossen hat, diese Anforderung weniger leicht erfüllen kann als deutsche bzw. in Deutschland ausgebildete Personen. Das Gericht bestätigte zwar, dass mit einer gewissen Mindestbeherrschung der deutschen Schriftsprache grundsätzlich ein auch nach dem Antidiskriminierungsrecht rechtmäßiges und gerechtfertigtes Ziel verfolgt werde.
Die Richter waren nur im konkreten Fall der Meinung, dass der Spritzgussarbeiter seine Arbeit, wie die vergangenen vier Jahre auch, weiterhin ohne verbesserte Deutschkenntnisse würde bewältigen können. Sie seien nicht erforderlich.
Diskriminierende Wirkung von fremden Konzernsprachen?
Das wegen eingelegter Revision zum Bundesarbeitsgericht noch nicht rechtskräftige Urteil wirft erkennbar zahlreiche Grundsatzfragen auf. Sie betreffen Führungskräfte sowohl als Arbeitnehmer als auch als Vorgesetzte. Unter dem Schutz der in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit fallenden Stellenprofiländerung dürfen nicht beliebige Weiterbildungsanforderungen geschaffen werden, die dann als Anlass für personenbedingte Kündigungen herangezogen werden können. Mehr als reine Willkürkontrolle mag deshalb gegenüber der Weiterbildungspolitik am Platz sein.
Es wäre allerdings bedenklich, wenn nur das Antidiskriminierungsrecht den Bereich der Weiterqualifikationspflichten und -rechte justiziabel machte. Zumal dann, wenn es die Unternehmen nun zu sehr feinkörnigen Abwägungen zwingt, in welchem Umfang Deutschkenntnisse zur Ausfüllung der jeweiligen Stellen erforderlich sind. Als rechtlich gesichert kann jedenfalls derzeit nur gelten, dass im Zweifel gebrochenes Deutsch für einfache Tätigkeiten erforderlich ist – mehr aber nicht.
Übertragen auf den Führungskräftebereich deutet sich dann aber auch die Frage an, ob und ab wann eine fremde Konzernsprache diskriminierend wirkt? Anders gewendet müßte nach dieser Rechtsprechung genauer geprüft werden, wodurch die Einführung einer fremden Konzernsprache gerechtfertigt werden kann und muss?