Haftungsrisiken für Aufsichtsräte bei "faulen" Krediten
Aufsichtsratsmitglieder müssen dafür sorgen, dass Darlehen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft werthaltig sind.
Mitglieder des Aufsichtsrates einer abhängigen Gesellschaft sind gemäß § 116 Aktiengesetz (AktG) in Verbindung mit § 93 I Nr. 1 AktG verpflichtet, an die Muttergesellschaft vergebene Darlehen laufend auf eine Erhöhung des Kreditrisikos hin zu prüfen und bei einer Verschlechterung der Bonität des Schuldners mit der Anforderung von Sicherheiten oder einer Kreditkündigung zu reagieren. Andernfalls können gegen sie Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urteil vom 01.12.2008, II ZR 102/07).
Eine GmbH hatte von einer Aktiengesellschaft, deren Mehrheitsaktionärin sie war, ohne Sicherheiten Darlehen in Höhe von insgesamt etwa 80 Millionen Euro erhalten. Nach der Insolvenz beider Gesellschaften klagte der Insolvenzverwalter der abhängigen Aktiengesellschaft gegen zwei ihrer Aufsichtsratsmitglieder auf Schadensersatz. Seiner Ansicht nach hätten sie im Rahmen ihrer Prüfpflichten bemerken müssen, dass die Tochter- der Muttergesellschaft ein ungesichertes Darlehen gewährt hat und für die Besicherung der Kredite sorgen müsse. Das Oberlandesgericht Jena (OLG) gab der Klage statt, weil es in der Darlehensgewährung ein nachteiliges Rechtsgeschäft sah, das nach § 311 AktG untersagt ist.
§ 311 Schranken des Einflusses
(1) Besteht kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, dass die Nachteile ausgeglichen werden.
Die Aufsichtsratsmitglieder seien für den Schaden der Aktiengesellschaft gemäß § 318 II AktG mitverantwortlich und schadensersatzpflichtig, weil sie gegen die Darlehenspraxis nichts unternommen und so ihre Prüfungspflicht gemäß § 314 I AktG verletzt hätten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) folgte in seiner Entscheidung der Auffassung des OLG Jena nicht. Er sah in der Gewährung des Darlehens kein nachteiliges Rechtsgeschäft im Sinne des § 311 AktG, da die Bonität der GmbH zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht zweifelhaft gewesen sei.
Eine Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder schloss der BGH dennoch nicht aus. Die Sorgfaltspflicht des § 93 I Nr. 1 AktG verpflichte die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates einer abhängigen Gesellschaft, die Bonität der Muttergesellschaft auch nachträglich regelmäßig zu prüfen und auf eine Verschlechterung zu reagieren. Die Unterlassung solcher Maßnahmen könne ihrerseits unter § 311 AktG fallen und somit zu einer Schadensersatzpflicht nach §§ 317 und 318 AktG führen.
§ 318 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft
(2) Die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben den nach § 317 Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, wenn sie hinsichtlich des nachteiligen Rechtsgeschäfts oder der nachteiligen Maßnahme ihre Pflicht, den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen und über das Ergebnis der Prüfung an die Hauptversammlung zu berichten (§ 314), verletzt haben; Absatz 1 Satz 2 gilt sinngemäß.
VAA-Praxis-Tipp:
Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Prüfungspflichten der Aufsichtsratsmitglieder abhängiger Unternehmen unterstrichen. Sie müssen Kreditrisiken nachträglich regelmäßig kontrollieren und im Zweifelsfall gegen die eigene Muttergesellschaft Verbindlichkeiten durchsetzen, um sich nicht selbst schadensersatzpflichtig zu machen.