Stress im Studium: Wie viel ist zu viel?
Studierende ziehen jeden Abend lange um die Häuser, schlafen lange und haben nur wenig echte Verpflichtungen. Dieses Klischee ist in den Köpfen vieler Berufstätiger – ob sie selbst studiert haben oder nicht – noch immer weit verbreitet. Die Wirklichkeit sieht in den meisten Fällen anders aus: Stark verschulte Master- und vor allem Bachelor-Studiengänge schränken die Freiheitsgrade im Studienalltag deutlich ein. Prüfungsstress und Leistungsdruck haben zugenommen. Die Folgen lassen sich an den Ergebnissen einer aktuellen Studie der Universität Potsdam und der Universität Hohenheim ablesen: Studierende in Deutschland sind überdurchschnittlich gestresst. 53 Prozent der befragten 18.000 Hochschüler gaben einen hohen Stresslevel an. Damit liegt dieser Wert höher als bei einer vergleichbaren Befragung unter Berufstätigen im letzten Jahr.
Natürlich gehört ein gewisses Maß an Stress zum Studium dazu. Und die Fähigkeit, sich selbst effektiv zu organisieren und mit Stress richtig umzugehen, zählt zu den wichtigsten Dingen, die eine Hochschulausbildung vermitteln sollte. Denn im späteren Berufsleben ist diese Fähigkeit oft genauso wichtig oder sogar wichtiger als die akademischen Kenntnisse, die das Studium vermittelt.
Lernen, sich Arbeit richtig einzuteilen, kann man aber nur, wenn ausreichend Abwechslung zwischen Phasen mit viel und solchen mit weniger Stress gegeben ist. Sonst wird das Studium zu einer Aneinanderreihung von Prüfungen degradiert, welche die Studierenden im Dauersprint absolvieren müssen, ohne nach links oder rechts zu schauen.
Es ist deshalb an der Zeit, die durch den Bologna-Prozess eingeführten Abläufe an den Hochschulen auf den Prüfstand zu stellen und so weit wie möglich von unnötigen Verpflichtungen für die Studierenden zu befreien. Zu Recht heißt es, der Innovationsstandort Deutschland brauche selbstbewusste und eigenständig denkende Hochschulabsolventen. Wer die aber will, muss den Studierenden auch die Freiheit geben, sich in diese Richtung zu entwickeln.
Günther Achhammer, Vorsitzender der VAA-Kommission Hochschularbeit.