MINT in der Schule: Nachsitzen nötig
Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Das deutsche Bildungssystem hat im MINT-Bereich beim weltweiten Schulvergleichstest „PISA 2015“ einen Rückschlag hinnehmen müssen. Die rund 10.000 geprüften 15-jährigen Schüler aus Deutschland erzielten in Naturwissenschaften und Mathematik schlechtere Ergebnisse als drei und sechs Jahre zuvor. Sie landeten auf Platz 16 von 72. Dies hat nun die für die PISA-Studien zuständige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mitgeteilt. Zwar haben in diesem Kernbereich die 15-Jährigen so gut wie nie zuvor abgeschnitten. Aber eine Platzierung im oberen Drittel der Rangliste kann für eine Industrienation wie Deutschland keine beruhigende Nachricht sein.
Wirtschaft und Gesellschaft brauchen die Naturwissenschaften. Forschung und Innovation müssen Teil von Wirtschaft und Gesellschaft sein und bleiben. Nur so kann die deutsche Industrie ihre weltweiten Spitzenplätze behaupten. Nur mit und über die Naturwissenschaften können wesentliche Fragen zum Verständnis des Lebens und zur Gestaltung der Gesellschaft beantwortet werden. Vertrauen in und Freude an den Naturwissenschaften fängt in den Schulen an. Hier gibt es ein massives Imageproblem der naturwissenschaftlichen Fächer und insgesamt eine gewisse Technikfeindlichkeit in der Breite der Gesellschaft. Die Antworten der Schüler auf die Frage, wie viele sich eine eigene naturwissenschaftliche Karriere vorstellen können, sind alarmierend. Deutschland landet hier auf dem drittletzten Platz aller 72 Länder.
Wir können von Singapur, Japan und Estland lernen. Unsere Lehrer brauchen mehr Weiterbildung. Sie beträgt in Singapur 100 Stunden pro Jahr. Jede Schule unterhält dort darüber hinaus professionelle Arbeitsgruppen, in denen Lehrer ihren Unterricht gemeinsam vor- und nachbereiten. Außerdem sind Unterrichtsräume in Singapur hochmodern ausgestattet, auch was digitale Medien betrifft. Pädagogische Forschung findet nicht nur an der Universität statt, sondern auch in den Schulen.
Der Reformeifer, den die deutsche Politik nach dem Schock der ersten Pisa-Studie 2001 entwickelte, darf nicht nachlassen. Wir sollten nicht nur in Brücken und Straßen, sondern vor allem in Bildung investieren. Auch eine bessere Bezahlung der Lehrer darf kein Tabu sein. Alle großen Herausforderungen unserer Gesellschaft wie Energieversorgung, Klimawandel und nachhaltige Rohstoffversorgung benötigen zur Bewältigung die Naturwissenschaften. Wir sollten uns anstrengen, den Schülern diese Zusammenhänge besser zu erklären.
Dr. Thomas Fischer ist seit 2002
1. Vorsitzender des VAA.