Führung in Zeiten des Epochenwandels
Die erschütternden Anschläge von Paris haben nicht nur die Franzosen, sondern uns alle in einer Weise betroffen gemacht, die wir vorher nicht kannten. Nicht in dieser Deutlichkeit und nicht in dieser Dimension. Unseren französischen Freunden, aber auch uns hat das grausige Gemetzel in Paris vielleicht deutlicher als alles andere bewusst gemacht, vor welchem Epochenwandel wir derzeit stehen. Zwar zeigten die hierzulande schon seit Monaten andauernden Flüchtlingsströme jedem Bürger, dass sich etwas tut, dass Veränderungen im Gange sind, die Langzeitwirkung haben. Oder um es mit den Worten von Wolfgang Schäuble zu sagen, dass die Globalisierung nun tatsächlich in unserem Leben angekommen ist. Aber die sich mit ihr stellenden Fragen haben sich seit dem Attentat in Paris blutig verschärft.
Damit kein Missverständnis entsteht: Flüchtlinge sind das eine, Terror ist etwas anderes. Migranten sind keine Terroristen. Und doch wird klar, dass langfristige politische und wirtschaftliche Entwicklungen nicht denkbar sind ohne Vorbereitung durch langsam anwachsende, spezielle Empfindlichkeiten und Stimmungen. Diese Stimmungen erreichen auch die Wirtschaft, die Unternehmen und ihre Belegschaften. Und sie werden geschaffen oder beeinflusst durch mörderische Akte wie die in Paris. Dass es eine Beziehung in der politischen Wahrnehmung zwischen Terror und Migration geben muss, zeigen indirekt die mantraartig wiederholten, öffentlichen Beschwörungen, auf gar keinen Fall eine Beziehung herzustellen. Und es zeigt sich in der realistischen Annahme, dass sich der innenpolitische Diskurs in der Migrationfrage verschärfen wird. In Frankreich, aber auch in Deutschland. Europaweit.
Wie gehen wir Führungskräfte damit um? Führungskräfte sind im Alltag gehalten, die Herausforderungen in den Unternehmen differenziert zu betrachten und Themen, die inhaltlich nicht miteinander zusammenhängen, getrennt zu behandeln. Das wird beim Flüchtlingsthema nicht funktionieren. Dazu ist es zu komplex und berührt zu viele Ebenen. Wirtschaftliche und menschliche, politische und religiöse. Wir können dem Thema nicht entkommen. Sicher ist, dass die Fragen, die den Unternehmen mit ihren Belegschaften gestellt werden, wir Führungskräfte auf Unternehmensebene nicht allein lösen können.
Aber wir können etwas tun. Unsere VAA-Aktion „<link internal-link internal link in current>Führungskräfte für Flüchtlinge“ haben wir in der Überzeugung gestartet, dass wir in Zusammenarbeit mit der UNO-Flüchtlingshilfe da Solidarität zeigen, wo sie nötig ist. Vor Ort, in jenen Gegenden der Welt, wo es brennt und wo man dazu beitragen kann, wirtschaftliche Fluchtgründe erst gar nicht entstehen zu lassen oder sie wenigstens zu lindern. Wir wollten und wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und humanitäre Hilfe zeigen. Eine Hilfe, die weder parteipolitisch motiviert ist noch parteipolitisch instrumentalisiert werden kann. Das wird nicht mit einer Einstellung funktionieren, die man gemeinhin mit Prozessoptimierung umschreibt. In Zeiten, die auch düstere Aspekte der Globalisierung hervorbringen, sind Führung und Verantwortung umfassender zu verstehen. Diese Zeiten, die einen Epochenwandel bedeuten, sind da. Vielleicht anders, als wir gedacht haben. Aber sie sind da.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA