Führung in der Arbeitswelt von morgen
Wie wird die Arbeitswelt von morgen aussehen? Und worauf wird es in dieser Arbeitswelt in Sachen Führung ankommen? Mit seinem kürzlich veröffentlichten VAA-Jahrbuch 2017 sucht der VAA Antworten auf diese Fragen und nimmt dafür die Entwicklungen in den Blick, die unsere Arbeitswelt derzeit verändern. Dazu gehört vor allem die digitale Transformation, also die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft durch digitale Technologien. Bereits der heutige Stand dieser Technologien ermöglicht in praktisch allen Bereichen eine umfassende Erstellung, Speicherung und Bereitstellung von Informationen zu vertretbaren Kosten. Für die Arbeitswelt bedeutet das: Es werden immer mehr Informationen über Produktionsabläufe und andere Prozesse in den Unternehmen generiert und digital bereitgestellt, was für die Arbeitnehmer wiederum zu einer zunehmenden Entkopplung zwischen Produktions- und Arbeitsort führt.
Das Schlagwort „Industrie 4.0“ erscheint deshalb häufig im Zusammenhang mit dem Begriff „Arbeit 4.0“, der unter anderem die verstärkte Nutzung von Instrumenten wie Homeoffice und mobilem Arbeiten, aber auch neue Formen der Zusammenarbeit wie Crowdworking umfasst. Vor allem wegen der starken Prozess- und Anlagenorientierung ist die chemische Industrie bei der Nutzung solcher Instrumente und Entwicklungen sicherlich weniger progressiv als Branchen, in denen die Verbindung mit den physischen Abläufen in den Betrieben weniger eng ist. Trotzdem ist das Thema auch in der Chemie auf dem Vormarsch. Denn die neuen Möglichkeiten wecken auch neue Begehrlichkeiten. Die Unternehmen wollen noch freier einsetzbare Arbeitnehmer. Viele Arbeitnehmer wünschen sich hingegen flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitsformen, ohne dabei eine unkontrollierte Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit in Kauf nehmen zu wollen.
Neben der Digitalisierung ist dieser Wertewandel ein zweiter wichtiger Einflussfaktor für die künftige Entwicklung der Arbeitswelt: Die Menschen werden nicht nur anders arbeiten können, sondern es in vielen Fällen auch wollen.
Eine Umfrage unseres politischen Dachverbandes <link https: www.ula.de external-link-new-window external link in new>ULA zeigt, dass viele Führungskräfte flexible Arbeitsformen wie Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice nicht in dem Umfang nutzen können, wie sie es gern tun würden. Flexibilität darf keine Einbahnstraße zulasten der Arbeitnehmer sein. Die Unternehmen müssen auch die entlastenden Aspekte der steigenden Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort an ihre Mitarbeiter weiterreichen. Vor allem die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Karriere ist für Führungs- und Nachwuchsführungskräfte ein Bindungsfaktor mit zunehmender Bedeutung. Die VAA-Delegiertentagung hat deshalb bereits im Mai dieses Jahres die Forderung an die Arbeitgeber gerichtet, bessere Rahmenbedingungen für die Nutzung flexibler Arbeitsformen zu schaffen.
Mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer durch neue Arbeitsformen und die gleichzeitig weiter steigende Komplexität der Arbeitswelt bedeuten, dass es in Zukunft für Führungskräfte mehr denn je darum gehen wird, Mitarbeitern Orientierung zu geben.
Rainer Nachtrab ist seit 2017
1. Vorsitzender des VAA.