Konjunktur: Ende des Höhenflugs
Der Fels in der Brandung. Dieses Bild wurde in den letzten Monaten und Jahren mit Blick auf die deutsche Konjunktur wohl deshalb so häufig herangezogen, weil es so zutreffend war. Denn als ebensolcher hat sich die deutsche Wirtschaft – vor nicht allzu langer Zeit noch der kranke Mann Europas – zunächst der europäischen und später der weltweiten Konjunkturflaute entgegengestemmt.
Doch seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen, dass auch die Reserven unserer „Konjunkturlokomotive“ beim Kampf gegen den Abwärtssog der Weltwirtschaft ihre Grenze haben. Erst gingen die Aufträge und die Auslastungsgrade in der Industrie zurück, nun hat das Statistische Bundesamt für den August einen Einbruch der deutschen Exporte um fast sechs Prozent bekanntgegeben. Zwar hatten die Ausfuhren im Juli einen Rekordwert erreicht und befinden sich somit auch nach diesem Einbruch noch auf hohem Niveau. Der einsame konjunkturelle Höhenflug der deutschen Wirtschaft ist aber wohl vorerst zu Ende.
Das war insofern absehbar, weil Deutschland zwar dank der strukturellen Reformen und der Lohnzurückhaltung der letzten 20 Jahre im Hinblick auf seine internationale Wettbewerbsfähigkeit gut dasteht, im Zeitalter der hochgradig vernetzten Weltwirtschaft aber keine Volkswirtschaft auf Dauer eine „Insel der Seligen“ bleiben kann. Spannender ist deshalb die Frage, wie es nun weitergeht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich für das kommende Jahr zum wiederholten Male einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgenommen.
Deutschlands führende Ökonomen haben sich in ihrem in der vergangenen Woche vorgestellten Herbstgutachten hingegen von diesem Sparziel abgewandt. Sie fordern die öffentliche Hand dazu auf, angesichts der eingetrübten Konjunktur in nächster Zeit lieber mehr statt weniger Geld auszugeben. Andere wichtige Akteure der Weltweltwirtschaft – China, der internationale Währungsfonds und insbesondere die USA – haben bereits ähnliche Appelle an Deutschland gerichtet.
Tatsächlich kann sich die amtierende deutsche Bundesregierung nunmehr der Reihe ihrer Vorgängerinnen anschließen, die ebenfalls den richtigen Zeitpunkt für die – symbolisch zweifellos wertvolle – schwarze Null verschlafen haben. Selten waren die Rahmenbedingungen dafür so gut wie in den vergangenen zwei Jahren. Ohnehin geplante Ausgaben künstlich über mehrere Jahre zu strecken und damit zugunsten einer symbolischen Geste krampfhaft gegen die sich nun erkennbar abkühlende Konjunktur ansparen zu wollen, wäre dagegen im wahrsten Sinne des Wortes kontraproduktiv. Die Konjunktur braucht jetzt Impulse von der öffentlichen Hand, um endlich den immer deutlicher werdenden Investitionsstau zu überwinden. Dazu könnte zum Beispiel die längst überfällige Abschaffung der kalten Progression einen wichtigen Beitrag leisten. Der VAA wird sich auch in Zukunft für eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einsetzen – aber eben für eine Konsolidierung, die wirtschaftspolitische Notwendigkeiten nicht außen vor lässt.