Probleme erkennen - Entscheider beraten
Ein neues wissenschaftliches Institut zur Rechtspolitik wird den politischen Entscheidern in Zukunft Probleme aus der Praxis der Arbeits-, Sozial und Wirtschaftsbeziehungen wissenschaftlich fundiert nahebringen.
An aktuellem Diskussionsstoff fehlte es nicht: „Flashmobs“ im Streikrecht, Datenschutz-Skandale, Altersvorsorge in der Finanzkrise. Auf dem Eröffnungskongress der ersten Friedrichshafener Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrechtstage versammelten sich namenhafte Experten, um über „Neue Herausforderungen des Arbeits- und Sozialrechts“ zu diskutieren. Veranstalter des Kongresses war das im Juni 2009 gegründete Institut für Recht und Politik der Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsbeziehungen, eine Abteilung des Zentrums für Wirtschaft, Recht und Steuern an der Zeppelin University (ZU) in Friedrichshafen.
Viel Substanz von Anfang an
Institutsdirektor Prof. Dr. Winfried Boecken wies darauf hin, dass Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialrecht gerade bei der Existenzsicherung der Arbeitnehmer nicht als Disziplinen unabhängig nebeneinander stehen. Der interdisziplinäre Ansatz des neuen Instituts werde dem gerecht. Gründungsdirektor Prof. Dr. Heinrich Wilms: „Es geht um wissenschaftliche Politikberatung im Vorfeld der Ausarbeitung von Gesetzen. In der Praxis erkannte Problemen sollen an die Entscheider herangetragen werden.“ Dass die Voraussetzungen dafür hervorragend sind, hob ZU-Präsident Prof. Dr. Stephan Jansen hervor: „Die hochkarätige Besetzung des Kongresses zeigt, über wie viel Substanz das neue Institut von Anfang an verfügt.“
In seinem Eröffnungsvortrag stellte Prof. Dr. Bernd Rüthers, ehemaliger Rektor der Universität Konstanz, in Frage, dass der „Arbeitskampf in einer veränderten Wirtschafts- und Arbeitswelt“ noch in allen Wirtschaftszweigen zur Lohnfindung geeignet ist. Das Beispiel der Chemie-Industrie zeige, dass eine friedliche Einigung zum Vorteil beider Seiten möglich sei.
Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, stellte in seinem Beitrag die zahlreichen Lebens- und Rechtsbereiche vor, in denen der Datenschutz eine Rolle spielt.
Die jüngste Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes bewertete Düwell mit Blick auf die Normierung bestimmter Aspekte des Arbeitnehmerdatenschutzes als Zugewinn an Rechtssicherheit, eine „durchgehende Lösung“ stehe jedoch noch aus.
Bei den zu erwartenden „Auswirkungen der Finanzkrise auf die betriebliche Altersvorsorge und auf die Gestaltung der variablen Vergütung bei kapitalorientierten Unternehmen“ zeichnete Dr. Peter A. Doetsch, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Mercer, ein differenziertes Bild: Während bei Zusagen mit im Voraus bestimmter Leistungshöhe trotz der Finanzkrise eine volle Leistungserbringung zu erwarten sei, würden die Erwartungen bei Zusagen mit variablen Faktoren aller Voraussicht nach nicht erfüllt.
Doetsch forderte die Führungskräfte auf, für die Einbeziehung der variablen Einkommensbestandteile in die betriebliche Altersvorsorge zu kämpfen, um auch weiterhin eine gute Versorgung zu erreichen. Bei der variablen Vergütung ist für die Führungskräfte seiner Ansicht nach mittelfristig ein Trend zu Boni mit zwei bis drei Jahren Laufzeit absehbar. Das neue Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung strahle in diesem Aspekt auch auf Nicht-Vorstände aus.
Dr. Thomas Voelzke, Richter am Bundessozialgericht, erläuterte die veränderten Rahmenbedingungen für Wertguthabenvereinbarung durch das Flexi II-Gesetz. Er betonte die Verbesserungen beim Insolvenzschutz und der Portabilität von Wertguthabenvereinbarungen, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass noch einige Unklarheiten im Gesetz beseitigt werden müssten.
Das Institut für Recht und Politik der Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsbeziehungen spricht mit seiner Ausrichtung wichtige Interessen und Probleme an. „Wir betrachten es deshalb als Ausdruck unserer gesellschaftlichen Verantwortung als Führungskräfte, dieses Institut zu unterstützen“, so Dr. Thomas Fischer, 1. Vorsitzender des VAA.