Investitionen: Fundamente für die Zukunft legen
Der Wirtschaftsstandort Deutschland brummt, der Investitionsstandort Deutschland schwächelt. Gerade weil sich die deutsche Wirtschaft in der europäischen Wirtschaftskrise bislang als Fels in der Brandung erweist, hat Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, in der vergangenen Woche mehr öffentliche und private Investitionen innerhalb der deutschen Wirtschaft angemahnt.
In der Tat: Der Trend bei der Investitionsquote – also dem Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt – zeigt in Deutschland seit Jahren nach unten. Lag sie im Jahr 1999 noch bei rund 20 Prozent, waren es 2012 nur noch knapp über 17 Prozent. Im Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2012 war die Investitionsquote in Deutschland um rund drei Prozentpunkte niedriger als in den übrigen Ländern des Euroraums. Wer nun meint, eine hoch entwickelte und erfolgreiche Volkswirtschaft wie die unsere könne doch ruhig auch mal ein paar Jahre lang den Fuß vom Gas nehmen, irrt. Denn Deutschland hat sich auf forschungsintensive Industrien und wissensintensive Dienstleistungen spezialisiert. Für ein gesundes Wachstum müssten wir deshalb sogar mehr investieren als andere Länder, um die mit dieser Spezialisierung einhergehenden Anforderungen an das Produktionsumfeld zu erfüllen.
Dazu gehört auch eine adäquate Verkehrsinfrastruktur. Und wie sehr die öffentliche Hand ihre Investitionen in diesem Bereich seit Jahrzehnten schleifen lässt, ist derzeit an Deutschlands Straßen und Brücken deutlich abzulesen. Auch wenn inzwischen ein Milliardenpaket zur Sanierung der Verkehrsinfrastruktur angekündigt ist, wird es wohl noch lange dauern, diese Missstände zu beheben. Vielleicht wird das Geld dafür in Zukunft auch direkt von deutschen Bürgern kommen. Sie könnten ihr Erspartes über spezielle Fonds in Infrastrukturprojekte investieren statt es wie bislang vor allem in konservative zinsabhängige Anlagen zu stecken. Das zumindest ist eine der Ideen, über die eine Ende August von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Expertenkommission in den nächsten Monaten beraten wird.
Die Kommission soll Konzepte zur Stärkung der Investitionen in Deutschland erarbeiten und die Entwicklung neuer Finanzprodukte zur Bürgerbeteiligung an Infrastrukturprojekten gilt dabei als vielversprechender Ansatz. Noch sind viele Fragen nicht beantwortet – zum Beispiel, wie bei solchen Projekten eigentlich eine Rendite generiert werden soll. Trotzdem könnte schon die Diskussion über solche Modelle einen Beitrag dazu leisten, das öffentliche Bewusstsein für die Investitionsproblematik zu schärfen.
Traditionell werden private Investitionen allerdings nicht von Einzelpersonen, sondern vor allem von Unternehmen getragen. Im Interview mit dem VAA für das im Oktober erscheinende Jahrbuch zur Globalisierung benennt Dr. Henrik Meincke, Chef-Volkswirt des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), vor allem „hausgemachte Probleme“ als Gründe für die Investitionszurückhaltung der deutschen Unternehmen. Neben der Wachstumsschwäche im Euroraum sorgten vor allem die Unbeständigkeit in der Energiepolitik und die mangelnde Akzeptanz für Großprojekte und Zukunftstechnologien für Unsicherheit. Auch an diesem Punkt versucht die Bundesregierung gegenzusteuern: Mit ihrer Anfang September vorgestellten neuen High-Tech-Strategie will sie Investitionen in Zukunftstechnologien fördern und neue Impulse für die Technikakzeptanz in der Bevölkerung setzen.
Beiden Maßnahmen – Investitionskommission und High-Tech-Strategie – kann man nur Erfolg wünschen. Denn wir brauchen in unserer Gesellschaft endlich ein breites Bewusstsein dafür, dass Investitionen in Innovationen und Infrastruktur das Fundament für unseren künftigen Wohlstand bilden.