EuGH-Urteil: Guter Tag für die Mitbestimmung
Am 18. Juli 2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden: Das deutsche Mitbestimmungsrecht ist mit dem EU-Recht vereinbar. In Deutschland dürfen nur die Arbeitnehmer den Aufsichtsrat wählen, die im Inland arbeiten. Mitarbeiter im EU-Ausland dürfen nicht mitwählen. Bei einem Umzug zum Arbeiten ins EU-Ausland kann man nicht dieselben Bedingungen verlangen wie in der Heimat.
Die Entscheidung des EuGH schafft Klarheit für die Rechte von Millionen Arbeitnehmern in Deutschland und in weiten Teilen Europas. Neben Deutschland haben 17 andere EU-Länder gesetzlich verbriefte Mitspracherechte für Arbeitnehmer in den Leitungsgremien ihrer Unternehmen. Das heißt nichts anderes, als dass die Mitbestimmung zu Europa gehört. Wichtig erscheint mir der Hinweis des EuGH, dass die Mitbestimmung weder gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verstößt. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer garantiert einem Arbeitnehmer nämlich nicht, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral sein wird. Das Urteil des EuGH unterstreicht die vorrangige Bedeutung der Mitbestimmung und ihrer sozialen Ziele. Und das aus gutem Grund.
Das deutsche Modell der Mitbestimmung ist ein wesentlicher Eckpfeiler für den wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand unseres Landes und schon längst ein Standortvorteil. Das deutsche Mitbestimmungsgesetz konnte sich bei seiner Verabschiedung 1976 auf eine breite parlamentarische Mehrheit stützen: Nur 22 Abgeordnete stimmten dagegen. Ich bin davon überzeugt, dass auch auf europäischer Ebene die Mitbestimmung weiter ausgebaut werden muss.
Wir brauchen in allen Ländern der EU Regelungen, die den Mitarbeitern die Möglichkeit der Teilhabe am Erfolg in ihren Unternehmen geben.
Daher fordert der VAA die Politik auf, auf europäischer Ebene dafür zu kämpfen, dass Rechtsformen wie die Europäische Aktiengesellschaft (SE) nicht länger als Instrument zur Absenkung von Mitbestimmungsstandards genutzt werden können. Es muss sichergestellt werden, dass der leitende Angestellte (LA) in den SE-Aufsichtsräten vertreten ist. Viel zu häufig entfällt nämlich der Sitz des LA bei einem Rechtsformwechsel zu einer SE. Damit gehen Wissen und Erfahrung verloren.
Auch das angekündigte „Company Mobility Package“ der Europäischen Kommission, das unter anderem europäische Regeln für die grenzüberschreitende Fusion, die Aufspaltung von Unternehmen und die Verlegung von Unternehmenssitzen formulieren soll, muss sich daran messen lassen, wie es nationale Mitbestimmungssysteme schützt oder sie auf eine europäische Ebene hebt.
Wir kämpfen auch in Zukunft für die Mitbestimmung. Sie ist jetzt schon ein Standortvorteil für Deutschland. Sie ist auf dem besten Wege, auch einer für die EU zu werden. Dafür sollte sich die Bundesregierung in Brüssel weiterhin einsetzen.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA