Kleine Unterschiede, großer Effekt
In Zeiten der Großen Koalition sind Grundsatzkonflikte zwischen den beiden Volksparteien rar. Unterschiede in der Akzentsetzung gibt es indes zuhauf. Wenn der Unterschied schon selten im Grundsätzlichen und der Sache selbst liegt, dann wird er eben im Ton gesucht und inszeniert. Jüngstes Beispiel dafür: Arbeit für alle zu schaffen. Erklärtermaßen eines der Wahlziele der Union. Und auch der Kanzlerkandidat der SPD verkündet in seinem Deutschlandplan, wie und wo vier Millionen Jobs entstehen könnten. Die Reaktionen? Business as usual im ersten Fall - Salven der Kritik im zweiten Fall.
Als Vorsitzender eines parteipolitisch ungebundenen Verbandes frage ich mich in erster Linie: Wo ist der sachliche Unterschied? Ob Ziel, ob Plan - beide Seiten wollen Vollbeschäftigung. Sie müssen es wollen. Steigt die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten dramatisch an, kollabieren die Sozialsysteme. Steuern und Sozialabgaben werden steigen. Leistungsträger werden sich frustriert abwenden. Ein Szenario, das es unbedingt zu verhindern gilt, ganz gleich von wem.
Wohlfahrtsverluste durch Technikfeindlichkeit
Ob nun Ziele oder Pläne besser aus der Krise helfen - Zeit für diese Debatte sollten sich Politik und Gesellschaft nicht nehmen. Zeit für eine prägnante Positionsbestimmung der Stärken und Schwächen der deutschen Wirtschaft dagegen schon. Das ist die Chance, die in der Krise liegt. Wie im Brennglas wird der Zusammenhang von technologischer Spitzenposition und gesamtgesellschaftlichem Wohlstand deutlich. Es kann nur gut tun, wenn unter dem Druck der Krise die Technikskepsis abnimmt. Gefühlte Risikolagen dürfen nicht an die Stelle fundierter Risikoanalysen treten. Und zu einer vollständigen Risikoanalyse gehört eben auch, den Wohlstandsverlust zu beziffern, der bei dem Verzicht auf eine Zukunftstechnologie droht.
Erfreulich nüchtern und zukunftsorientiert ist der Umgang mit der Nano-Technologie. Nach einer Studie der europäischen Kommission akzeptiert die Bevölkerung in Europa
die Nano-Technologie. Forschung und Industrie in Deutschland marschieren in diesem Bereich vorne weg. Nano-strukturierte Pulver von Metalloxiden, Nano-strukturierte Silikate, Fullerene und Kohlenstoffnanoröhren, organische Makromoleküle, wie Dendrimere oder Cyclodextrine, organische Halbleiter sowie Quantenpunkte, all dies sind Stoffe und Materialien, für die nach seriösen Schätzungen der Weltmarkt wächst.
Ob die im Wesentlichen vor der Wirtschaftskrise gemachte Prognose von Freedonia noch eintrifft, wonach sich das Weltmarktvolumen von Nano-Materialien von etwa einer Milliarde US-Dollar in 2006 auf über vier Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 vervierfachen soll, muss sich zeigen.
Noch verheißungsvoller liest es sich, wenn im Bereich der Nano-Medizin ein Wachstum für realistisch gehalten wird, bei dem der Weltmarkt im Jahr 2006 von 8 Milliarden US-Dollar auf ein Volumen von 119 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 ansteigen soll. Würde sich diese Prognose trotz der Krise bewahrheiten, könnte man in diesem Sektor mit jährlichen Wachstumsraten von etwa 20 Prozent rechnen. Diese Perspektiven lassen aufhorchen. Denn die Gesundheitswirtschaft ist heute einer der größten Teilmärkte der deutschen Volkswirtschaft: Rund 4,4 Millionen Menschen verdienen dort ihr Brot.
Bei Zukunftstechnologien sollten alle sich bietenden Chancen ergriffen werden. Das wird zu den zentralen Aufgaben einer künftigen Regierung gehören, sobald sich der unvermeidliche Theaterdonner des Wahlkampfs verzogen hat. Greifbare Ziele und konkrete Pläne können jedenfalls im Feld der Forschungs- und Innovationspolitik allemal Nutzen stiften und Arbeitsplätze sichern.