Sitzstreik im Chefbüro: Kündigung gerechtfertigt
Ein mehrstündiger Sitzstreik im Büro des Vorgesetzten zur Durchsetzung einer Gehaltserhöhung kann eine Kündigung rechtfertigen. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.
Eine Arbeitnehmerin hatte von ihrem Arbeitgeber eine außertarifliche Vergütung gefordert, weil sie als Leiterin einer Abteilung mit 300 Mitarbeitern von ihrem Arbeitgeber in die höchste tarifliche Entgeltgruppe eingruppiert worden war. In einem Gespräch wies ihr Vorgesetzter ihre Forderung zurück und forderte sie auf, sein Büro zu verlassen. Die Arbeitnehmerin erklärte jedoch, sie werde den Raum erst verlassen, wenn ihre Forderung erfüllt werde. Der Hinweis des Vorgesetzten auf das Hausrecht und Vermittlungsversuche durch den Betriebsrat und durch den Ehemann der Arbeitnehmerin blieben erfolgslos. Als auch die Androhung einer Kündigung keine Wirkung zeigte, rief der Arbeitgeber die Polizei und die Arbeitnehmerin wurde nach ihrem dreistündigen Sitzstreik unter Polizeibegleitung aus dem Betrieb geführt.
Am nächsten Tag versandte sie eine E-Mail an mehrere Mitarbeiter des Arbeitgebers, in der sie auf ihr eigenes Verhalten nicht einging, das Verhalten ihres Vorgesetzten aber mit dem Satz „Wer solche Vorgesetzte hat, braucht keine Feinde mehr“ kommentierte. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos und sprach der Arbeitnehmerin hilfsweise auch die ordentliche Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) hat nun entschieden, dass die fristlose Kündigung zwar unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch gerechtfertigt war (Urteil vom 6. Mai 2015, Aktenzeichen: 3 Sa 354/14).
Das LAG stellte fest, dass die Arbeitnehmerin mit ihrem Verhalten eine besonders schwere Pflichtverletzung begangen habe. Unter Berücksichtigung ihrer 22-jährigen und bis dahin beanstandungsfreien Beschäftigungszeit werde dadurch jedoch keine fristlose, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Die Interessenabwägung im Rahmen der ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung fällt aus Sicht der LAG-Richter zu Ungunsten der Arbeitnehmerin aus. Sie habe weder auf die Deeskalationsversuche des Arbeitgebers noch auf die Androhung einer Kündigung reagiert. Zudem wiege ihre Pflichtverletzung wegen ihrer Vorbildfunktion als Vorgesetzte besonders schwer. Eine Abmahnung hätte aus Sicht der Arbeitsrichter angesichts dieser Sachlage nicht ausgereicht, um das notwendigen Vertrauen wiederherzustellen. Deshalb sah das LAG die ordentliche Kündigung als gerechtfertigt an.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des LAG Schleswig-Holstein zeigt, dass besonders Vorgesetzte bei ihrem Verhalten im Unternehmen Sorgfalt walten lassen sollten. Andernfalls kann sich ihre Vorbildfunktion bei einer Interessenabwägung im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung zu ihrem Nachteil auswirken.