Prämie für Gewerkschaftsaustritt rechtswidrig
Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern eine Prämie für den Austritt aus einer Gewerkschaft anbieten, verstoßen damit gegen die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft. Das hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen entschieden.
Eine Reinigungsfirma hatte ihre Mitarbeiter nach deren Gewerkschaftszugehörigkeit befragt und ihnen eine Prämienzahlung in Höhe von 50 Euro für den Fall in Aussicht gestellt, dass sie aus der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt austreten. Zudem hatte das Unternehmen den Mitarbeitern vorformulierte Kündigungsschreiben für den Gewerkschaftsaustritt zur Verfügung gestellt.
Dem daraufhin erhobenen Unterlassungsantrag der Gewerkschaft gab das Arbeitsgericht Gelsenkirchen voll umfänglich statt (Urteil vom 9. März 2016, Aktenzeichen: 3 Ga 3/16). Das Versprechen einer Prämienzahlung verstoße massiv gegen die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft aus Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes. Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz schütze nicht nur den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten, fernzubleiben oder sie zu verlassen.
Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. [...]
Geschützt sei auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen. Das Gericht verwies darauf, dass für eine Gewerkschaft deren Verhandlungsstärke entscheidend sei, die wiederum maßgeblich von der Zahl ihrer Mitglieder abhänge. Durch einen versuchten Angriff auf diese Mitgliederstärke könne eine Gewerkschaft nachhaltig geschwächt werden.
Das Arbeitsgericht betonte in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich, dass Arbeitnehmer, die sich einer Gewerkschaft anschließen wollen, daran nicht durch wirtschaftlichen Druck gehindert werden dürften. Zugleich dürfte auf Arbeitnehmer, die bereits Mitglied einer Gewerkschaft sind, in keiner Weise Druck ausgeübt oder ein Anreiz dafür geschaffen werden, sie zum Austritt zu bewegen.
VAA-Praxistipp
Das Bundesarbeitsgericht hat schon vor fast 30 Jahren klargestellt, dass es für Arbeitgeber beispielsweise unzulässig ist, die Einstellung eines Arbeitnehmers von dem Austritt aus einer Gewerkschaft abhängig zu machen. Mit dem aktuellen Urteil hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen unterstrichen, dass dies auch für andere Formen der Beeinträchtigung gewerkschaftlicher Betätigung gilt.