Neue Mitte: Grün

Klammert man die energie- und umweltpolitischen Konzepte aus – freilich die Gretchenfrage aus Sicht der Chemie – so war der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Parteien bei dieser Wahl im unterschiedlichen Ansatz zur kommunalen Selbstverwaltung zu suchen. Während für die Wähler der FDP die steuerliche Entlastung des Einzelnen im Vordergrund steht, nehmen Grünen-Wähler gegebenenfalls auch eine höhere steuerliche Belastung in Kauf, um im Gegenzug öffentliche Dienste stärker finanzieren und als Bürger in Anspruch nehmen zu können. Im Grunde geht es um die jeweils individuell wahrgenommene Entlastungs- und Finanzierungsbereitschaft. Die Fragen lauten: Wie hoch ist der Beitrag, den ich zu leisten bereit bin? Wo fängt für mich persönlich die finanzielle Schmerzgrenze an? Welchen Beitrag fordere ich über Steuerentlastungen zurück, wo bevorzuge ich Sachleistungen?

Vor allem einem Thema wird man in Anbetracht dieser gespaltenen Mitte eine bislang noch selten in ihrer Tragweite erkannte politische Zukunftsdynamik beimessen müssen: Der öffentlichen Daseinsvorsorge. Reihenweise sind die Modelle kommunalen Outsourcings zentraler Funktionen der Daseinsvorsorge grandios geplatzt. Die ehemals Kapitalanlagemöglichkeiten suchenden Finanzinvestoren haben auf turbulenten Märkten zu viel Kapital verloren, um ihren Investitionspflichten noch nachkommen zu können. Nun müssen die verarmten Kommunen doch wieder in die Bresche springen und die ausgelagerte Wasseraufbereitung, Stromlieferung oder die Wohnungswirtschaft erneut in Eigenregie erbringen.

In der bürgerlichen Mitte des modernen deutschen Fünfparteiensystems ist es jedenfalls eng geworden. Die Parteien müssen sich – zu Recht – immer stärker anstrengen, um die für ihr jeweiliges Wählerpotential relevanten Themen spezifisch zu besetzen. Die Wähler müssen noch aktiver als bisher umworben werben, auch nach einer Wahl. Parteien haben die Pflicht, den Wählerwillen umzusetzen und sich um diesen zu kümmern. Und wir alle haben die Pflicht, die Parteien an die Wahrnehmung ihrer Pflicht zu erinnern. Das gilt natürlich ebenso für die künftigen Regierungsparteien in Nordrhein-Westfalen.

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