Keine "entgegengesetzte betriebliche Übung" mehr
Eine betriebliche Übung kann nicht mehr dadurch rückgängig gemacht werden, dass der Arbeitgeber mehrmals nicht zahlt und der Arbeitnehmer stillschweigend zustimmt. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden und damit die schon im vergangenen Ja
Bislang war es gängige Rechtspraxis, dass der Arbeitgeber eine einmal eingetretene betriebliche Übung wieder zurücknehmen konnte, wenn er dreimal nicht zahlte und der betroffene Arbeitnehmer nicht widersprach. Das BAG hatte sich bereits in einem Urteil vom 18.03.2009 (Az. 10 AZR 281/08) auf den Standpunkt gestellt, dass das einseitige stillschweigende Abrücken von einer betrieblichen Übung nicht mehr zulässig sei. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerseite dar, die nicht mehr toleriert werden könne, nachdem die Arbeitsverträge durch die Schuldrechtsreform unter den Schutz der allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt wurden. Diese Kehrtwende in der Rechtsprechung hat das BAG mit seinem Urteil vom 16.02.2010 (Az. 3 AZR 123 08) bestätigt.
Wenn der Arbeitgeber eine einmal eingetretene betriebliche Übung wieder rückgängig machen will, verweist ihn das BAG nun auf das klassische Handwerkszeug des Vertragsrechts: Er muss sich bemühen, in Verhandlungen ein Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer herzustellen oder eine Änderungskündigung aussprechen, was jedoch mit Risiken vor dem Arbeitsgericht verbunden ist.
Vorbehalte sind möglich
Im Arbeitsvertrag können zudem Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte vereinbart werden. Allerdings hat das BAG die Wirkung von Widerrufsvorbehalten gerade in der letzten Zeit eingeschränkt.
Die Gründe für den Widerruf müssen vorher vertraglich konkretisiert sein, damit die notwendige Klarheit und Transparenz für den Vertragspartner gewahrt wird. Daran mangelt es in vielen Fällen.
Die Wirkung von Freiwilligkeitsvorbehalten hat das BAG dagegen verstärkt. Wenn im Vertrag eindeutig und erkennbar auch für zukünftige Leistungen niedergelegt wird, dass Zahlungen freiwillig erfolgen, gilt dieser Vorbehalt auch für die Zukunft und muss nicht jedes Mal wieder erneuert oder bestätigt werden.
Allerdings darf der Vertrag nicht widersprüchlich sein. Das ist schon dann anzunehmen, wenn an einer Stelle ein Freiwilligkeitsvorbehalt formuliert wird und später ohne erkennbaren Zusammenhang eine Sonderleistung wieder freiwillig und ohne Rechtsanspruch gewährt wird. Diese Widersprüchlichkeit macht den Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam.
VAA-Praxis-Tipp
Führungskräfte, in deren Verträgen regelmäßig Jahres- und Sonderleistungen vereinbart werden, sollten gründlich prüfen, wie es mit der Rechtsverbindlichkeit der Zusagen für die Zukunft aussieht. Klare vertragliche Regelungen sind einer allein auf der Basis von dreimaliger vorbehaltsloser Zahlung entstandenen betrieblichen Übung vorzuziehen. VAA-Mitglieder sollten sich bei Unklarheiten auf jeden Fall an den juristischen Service des Verbandes wenden.