Haircut für Griechenland?

Das Euro-Rettungspaket steht. Bis zu 750 Milliarden Euro Hilfen wurden zum Schutz des Euro auf den Weg gebracht: Nachvollziehbare Verteidigung der Währungsunion oder nicht tolerierbarer Verstoß gegen EU-Recht?

VAA-Newsletter: In Anbetracht der sich zuspitzenden sozialen Konfliktlage in Griechenland, in Anbetracht aber auch der Gefahren für andere europäische Staaten, war die Bundesregierung nicht doch in einer Lage, in der kaum eine andere Entscheidung politisch verantwortbar war?

Murswiek: Es wäre verantwortlich und notwendig gewesen, auf einen geordneten „Haircut“ hinzuwirken, also auf eine Insolvenz Griechenlands, bei der die Gläubiger durch eine Kürzung ihrer Forderungen ihren Beitrag zur Lösung der Krise leisten. Das Rettungspaket ist ein Paket nicht zur Rettung Griechenlands, sondern zur Rettung der Banken, die in verantwortungsloser Weise auf die hohen Renditen griechischer Anleihen gesetzt und gleichzeitig darauf spekuliert haben, dass der Steuerzahler ihnen das Risiko abnimmt.

VAA-Newsletter: Erwarten Sie eine weitere Anpassung des Lissabonvertrages? Frau Merkel hat ja angekündigt, sich für die Beschränkung von Mitgliedschaftsrechten von EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen, die dauerhaft gegen den Stabilitätspakt verstoßen.

Murswiek: Das wäre sinnvoll – ob auch politisch durchsetzbar, wird man abwarten müssen.

VAA-Newsletter: Kann das Resultat dieser Krise womöglich ein Schub für eine weitere Förderalisierung der EU sein oder ist nach Ihrer Ansicht eher zu erwarten, dass die Europäische Union zu einer Freihandelszone infolge dieser Krise herabsinkt?

Murswiek: Der neue Beschluss des Rates der Finanzminister vom 9./10. Mai über einen europäischen Stabilisierungsmechanismus geht klar in Richtung auf weitere Zentralisierung und in Richtung auf Entwicklung der Währungsunion zu einer Transferunion. Sarkozy schwärmt schon, man habe nun eine veritable europäische Wirtschaftsregierung. Das entspricht nicht der Konzeption des Vertrages. Ohne förmliche Vertragsänderung ist das rechtlich nicht möglich, und eine Vertragsänderung, die auf eine solche Umstrukturierung des Vertrages abzielte, könnte die Grenzen dessen überschreiten, was das Grundgesetz an europäischer Zentralisierung zulässt.

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