Steuergerechtigkeit: Wann, wenn nicht jetzt?

Die Einkommen der Beschäftigten sind 2011 im Schnitt um 945 Euro gestiegen, wie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zu berichten weiß. Gleichzeitig sind aber auch die Belastungen für Arbeitnehmer um durchschnittlich 553 Euro gestiegen – so stark wie seit 17 Jahren nicht mehr. Noch nie haben Arbeitnehmer so viele Steuern und Abgaben gezahlt wie im letzten Jahr. Auf rund 300 Euro beläuft sich dabei allein der Anstieg bei der Einkommenssteuer.

Dies ist weder überraschend noch dramatisch, sondern eine Folge des progressiven deutschen Steuersystems. Je mehr ein Arbeitnehmer verdient, desto höher wird er belastet. Wer hat, kann mehr geben – ein wichtiges Element dieses Systems, dem ein gesellschaftlicher Konsens zugrunde liegt. Dennoch gibt es darin einen wunden Punkt: die kalte Progression. Es kann nicht im Sinne der Gesellschaft sein, dass bei immer mehr Arbeitnehmern geringe Einkommenszuwächse zu deutlich stärkeren Reallohnverlusten führen können. Umso wichtiger ist es daher, den Hebel an der kalten Progression anzusetzen. Selbstverständlich wäre eine Korrektur der negativen Progressionseffekte mit Mindereinnahmen für den Fiskus verbunden – etwa sechs Milliarden Euro. Diese würden aber durch die künftigen Steuereinnahmen weitgehend ausgeglichen: Nach der aktuellen Steuerschätzung werden jährliche Mehreinnahmen von fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr prognostiziert. Das heißt: Die Konjunktur macht es möglich, auf versteckte Steuererhöhungen zu verzichten, ohne die Sanierung des Haushaltes zu gefährden.

Ehrlichkeit tut not: Wer in Zeiten der europäischen Schulden- und Währungskrise Steuersenkungen fordert – oder gar fest verspricht –, handelt politisch und wirtschaftlich verantwortungslos. An einer echten und langfristigen Haushaltskonsolidierung führt kein Weg vorbei. Aber wenn es möglich ist, dank der von Arbeitnehmern und Steuerzahlern mit auf den Weg gebrachten, starken Konjunktur, durch eine letztlich kostenneutrale Maßnahme mehr Gerechtigkeit zu schaffen, sollte man diese Möglichkeit beim Schopfe packen.

Übrigens hat dies auch der VAA als wichtiger Teilnehmer des öffentlichen Diskurses mit seinem Antrag zur Steuerpolitik deutlich gemacht, den die VAA-Delegiertentagung im Jahr 2011 beschlossen hat. Steuergeschenke darf es auch mittelfristig nicht geben.

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