Industriepolitik: Jetzt erst recht!
Nun also doch: Die deutsche Exportwirtschaft – bislang trotz leichter Schwankungen der Fels in der Brandung der globalen Konjunktur – bekommt offenbar die anhaltenden Probleme der Weltwirtschaft zu spüren. Das Statistische Bundesamt gab Ende letzter Woche bekannt, dass die deutschen Exporte im Januar zum zweiten Mal in Folge im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich zurückgegangen sind. Die Chemiekonjunktur – wegen ihrer starken Vernetzung mit anderen Branchen häufig ein verlässlicher Vorläufer solcher Entwicklungen – hat diese konjunkturelle Delle bereits Ende letzten Jahres vorweggenommen: Der Verband der Chemischen Industrie spricht in seinem Bericht zur wirtschaftlichen Lage von einem „enttäuschenden Jahresende für die Chemie“. Vor allem der Motor der Weltwirtschaftslokomotive China ist in den vergangenen Monaten immer wieder ins Stottern geraten.
Offenbar weht deshalb nun also auch der erfolgsverwöhnten deutschen Wirtschaft der Wind stärker ins Gesicht. Das ist allerdings kein Grund für Aktionismus, sondern vielmehr Anlass, sich auf seine Stärken zu besinnen und Kurs zu halten. Die deutschen Unternehmen und vor allem die deutschen Chemiefirmen sind innovativ und wettbewerbsfähig. Sehr deutlich zeigt sich das im Bereich der Spezialchemie, bei der das Know-how deutscher Chemiker und Chemieingenieure besonders zum Tragen kommt und die sich seit Jahren sehr erfolgreich entwickelt.
Dennoch ist die deutsche Chemie auch weiterhin auf gute und verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Auf der diesjährigen Delegiertentagung des VAA Ende April in Fulda wird der VAA-Vorstand den Delegierten deshalb einen Antrag zur Umsetzung der sogenannten Seveso-III-Richtlinie vorlegen. Diese europäische Richtlinie regelt die Errichtung und den Betrieb von Industrieanlagen und wird derzeit in deutsches Recht umgesetzt. Der VAA setzt sich dabei für eine ausgewogene Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein, durch die einerseits die bereits existierenden, hohen Sicherheits- und Umweltniveaus beibehalten werden und andererseits Planungssicherheit bei der Erteilung von Genehmigungen für Industrieanlagen gewährleistet wird. Denn in wirtschaftlich unruhigen Zeiten ist eine besonnene Industriepolitik für die Standort Deutschland wichtiger denn je.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA