Escape-Klausel: BAG gibt Pensionskassenrentnern recht
Im Dezember 2016 hat das Bundesarbeitsgericht zur Anpassung von Pensionskassenrenten und zur rückwirkenden Anwendung von § 16 Absatz 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) in der ab dem 31. Dezember 2015 geltend
VAA Newsletter: Worin geht es in der Vorschrift des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG? Muss der Arbeitgeber nicht alle Betriebsrenten – also auch Pensionskassenrenten – in einem bestimmten Turnus überprüfen und anpassen?
Axler: Dass ist grundsätzlich richtig. Der Arbeitgeber hat gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG alle drei Jahre zu überprüfen, ob die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten oder zumindest an die gestiegenen Nettolöhne angepasst werden müssen und diese Anpassung auch vorzunehmen, sofern seine wirtschaftliche Lage dies zulässt. Für Pensionskassenrenten und Lebensversicherungsrenten gibt es jedoch eine Ausnahmevorschrift, die sogenannte Escape-Klausel, die in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG geregelt ist. Danach ist der Arbeitgeber unter ganz bestimmten Voraussetzungen, welche die Pensionskasse erfüllen muss, von der grundsätzlichen Überprüfungs- und Anpassungspflicht befreit.
VAA Newsletter: Und was hat sich diesbezüglich denn nun am 31. Dezember 2015 geändert?
Axler: Bis zum 30. Dezember 2015 galt, dass die Pensionskasse zwei Voraussetzungen erfüllen musste, damit die Ausnahmevorschrift eingreift: Zum einen musste sie ab Rentenbeginn sämtliche Überschüsse, die auf den Rentenbestand entfallen, zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwenden. Zum anderen durfte sie bei Abschluss der Verträge einen bestimmten Garantiezins nicht überschreiten, welcher in der DeckRV geregelt ist. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt waren, brauchte der Arbeitgeber nicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG anzupassen. Der Grund dieser Regelung, die 1999 erstmals in das Betriebsrentengesetz eingeführt wurde, lag darin, dass der Gesetzgeber damals davon ausging, dass bei einer Pensionskasse, die nur geringe Garantiezinsen gewährt – Höchstgrenze DeckRV –, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie Überschüsse erzielt. Wenn sie diese Überschüsse auch tatsächlich zur Rentenerhöhung verwendet, sollte dies nach Auffassung des Gesetzgebers einer Anpassung des Arbeitgebers gleichstehen. Insofern erschien es gerechtfertigt, den Arbeitgeber aus der Anpassungsprüfungspflicht zu entlassen, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind. Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie wurde der 2. Halbsatz des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nun zum 31. Dezember 2015 gestrichen, sodass das Erfordernis, dass nur ein bestimmter niedriger Zinssatz garantiert sein darf, ersatzlos entfallen ist. Ab diesem Datum kommt es daher nur noch darauf an, ob die Pensionskasse ab Rentenbeginn wirklich alle Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet hat. Damit hat der Gesetzgeber nach Auffassung des dritten Senats des BAG eine völlige Neuregelung geschaffen, welche die Systematik der Vorgängerregelung verlässt.
VAA Newsletter: Wenn der Gesetzgeber dies so geregelt hat, worum ging es dann in den laufenden Verfahren beim BAG?
Axler: In diesen Verfahren ging es um die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) und um zurückliegende Anpassungsstichtage. Die PKDW nimmt bekanntlich seit 2003 Leistungsherabsetzungen vor. Das Bundesarbeitsgericht hat – wie bereits in vorheriger ständiger Rechtsprechung – den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsherabsetzungen in bestimmtem Umfang verurteilt, nämlich soweit die Pensionskassenrente auf Arbeitgeberbeiträgen beruhte. Des Weiteren ging es um weit zurückliegende Anpassungsstichtage, zum Beispiel 1. Juli 2010 und 1. Juli 2013, zu welchen die Rente vom Arbeitgeber angepasst werden sollte. Die Anpassungsstichtage lagen also lange vor Inkrafttreten der Neufassung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG. Die Arbeitgeberseite meinte nun, die zum 31. Dezember 2015 in Kraft getretene Neufassung beseitige auch alle Anpassungsansprüche, die bereits vorher entstanden waren. Dieser Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht aber eine Absage erteilt. Alle Anpassungen, die zu Stichtagen vor dem 31. Dezember 2015 vorgenommen werden mussten, sind nach dem damals geltenden Recht zu beurteilen. Die Neuregelung gilt dagegen erst ab Inkrafttreten. Der Arbeitgeber wurde daher zur Anpassung verurteilt.
VAA Newsletter: Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ab dem 31. Dezember 2015 Pensionskassenrenten gar nicht mehr vom Arbeitgeber anzupassen sind?
Axler: Nein, das bedeutet es nicht. Es kommt für Anpassungen ab dem 31. Dezember 2015 darauf an, ob die Pensionskasse ab Rentenbeginn alle Überschüsse, die auf den Rentenbestand entfallen, zur Erhöhung der laufenden Leistungen – also zur Rentenerhöhung – verwendet hat. Dies ist nicht bei allen Pensionskassen der Fall und muss im Einzelfall genau geprüft werden. Die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft erhöht beispielsweise die laufenden Leistungen nur, soweit sie auf ab dem Jahr 2004 gezahlten Beiträgen beruhen. Alle Überschüsse, die auf bis zum Jahr 2003 gezahlten Beiträgen beruhen, werden nur zur Abmilderung der Leistungsherabsetzung verwendet, mindern also nur die Einstandspflicht des für die Leistungsherabsetzung ausgleichspflichtigen Arbeitgebers. Ob mit einer solchen Überschussverwendung die Escape-Klausel erfüllt werden kann, halte ich für höchst fraglich. Eine abgemilderte Absenkung ist nach meiner Auffassung keine Erhöhung. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht aber noch nicht entschieden. Insofern sind auch bezüglich der ab dem 31. Dezember 2015 geltenden Rechtslage noch viele Probleme im Rahmen der Anpassung von Pensionskassenrenten ungeklärt.
Dr. Ingeborg Axler ist Partnerin der Fachanwaltskanzlei BJBK in Köln und bearbeitet schwerpunktmäßig Fälle der Betrieblichen Altersversorgung. Die Kanzlei (<link>Kanzlei@bjbk.de) ist Kooperationspartner des VAA. Foto: BJBK