Compliance: Streit um Arbeitszeitrichtlinie geht weiter
Arbeitszeitregeln können gefährliche Haftungsfallen für Führungskräfte enthalten
Corporate Compliance soll Haftungsrisiken verringern. Kurseinbrüche durch Vertrauensverluste am Kapitalmarkt sollen vermieden werden. Für Führungskräfte ergibt sich daraus eine besondere Herausforderung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich ständig. Trotzdem sollen die Gesetze jederzeit befolgt werden.
Dazu Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA Führungskräfte Chemie: „Wenn die Rechtslage nicht klar ist, kann die Forderung nach Compliance auch zu mehr Unsicherheit führen.“ Gerade im Bereich der Arbeitszeitgesetzgebung sind die rechtlichen Vorgaben für Führungskräfte momentan in der Diskussion.
Sitzung des Europäischen Parlaments
Quelle: Wikipedia
Auf europäischer Ebene wird seit mehreren Jahren erbittert um eine Neufassung der Arbeitszeitrichtlinie gerungen. Im September 2008 hatten sich die EU-Arbeitsminister auf einen Entwurf geeinigt. Danach soll die prinzipielle wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden Bestand haben. Bei Zustimmung durch den Arbeitnehmer (so genanntes „Opt-out“) soll jedoch künftig eine Höchstgrenze von 60 Wochenstunden gelten. Bei Berücksichtigung inaktiver Bereitschaftszeit als Arbeitszeit würde die Höchstgrenze auf 65 Stunden pro Woche steigen.
Allerdings dauert der Streit über die europäische Arbeitszeitrichtlinie vorerst an. Das Europäische Parlament hat sich in zweiter Lesung im Dezember 2008 gegen weitreichende Ausnahmen von der Höchstarbeitszeitgrenze ausgesprochen. Das Parlament will den Kreis derer einschränken, die aufgrund ihrer leitenden Position von der Richtlinie ausgenommen sind.
Derzeit unterliegen Leitende Angestellte in Deutschland nicht dem Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes, das die Europäische Richtlinie umsetzt. Mit der aktuell noch gültigen Fassung der Arbeitszeitrichtlinie ist dies vereinbar. Das Europäische Parlament will solche Ausnahmen jedoch in der Neufassung auf einen wesentlich kleineren Personenkreis beschränken. Nun läuft das Vermittlungsverfahren. Die Auseinandersetzung geht in die nächste Runde. Der Ausgang ist ungewiss und damit auch die Zukunft der Arbeitszeitregeln für Führungskräften und die Folgen für die Compliance im Hinblick auf die Arbeitzeit.
Entwarnung bei der Arbeitszeiterfassung
Im Zusammenhang mit der Reform der gesetzlichen Unfallversicherung im Sommer 2008 war diskutiert worden, ob die Ermittlung der geleisteten Arbeitsstunden zu Versicherungszwecken eine technische Erfassung der individuellen Arbeitszeit aller Mitarbeiter voraussetzt. Das Bundesarbeitsministerium und die Unfallversicherungsträger hatten sich jedoch darauf verständigt, auch künftig eine unbürokratische Meldepraxis auf Basis der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit oder sogar Durchschnittswerten zu ermöglichen. Arbeitszeitsouveränität und Vertrauensarbeitszeitmodelle der Führungskräfte bleiben also unangetastet.
Auch für die Personalverantwortlichen bleibt damit vieles beim Alten. Allerdings müssen sie die Arbeitsstunden ab 2008 nicht mehr als Gesamtmeldung für die gesamte Belegschaft abgeben, sondern für jeden Arbeitnehmer einzeln mit der Meldung zum Gesamtversicherungsbeitrag an die Rentenversicherung übermitteln.