Chemie in schweren Gewässern

Zum größten wirtschaftspolitischen Problem hat sich die schwache Investitionstätigkeit in Deutschland entwickelt. Dabei dürfte fast allen Beobachtern klar sein, dass die deutsche Wirtschaft zwingend auf Investitionsimpulse angewiesen ist. Wenn sich hier nicht in naher Zukunft etwas ändert, wird der wirtschaftliche Abstieg des Standorts Deutschland nicht mehr zu vermeiden sein. Dieser Niedergang trifft insbesondere die energieintensive Industrie. Gerade in der Chemie sind die Probleme mit den Händen zu greifen. Die kommende Tarifrunde wird im Krisenmodus stattfinden. Während zum 1. Januar 2024 die Tarifentgelte um 3,25 Prozent gestiegen sind und den Beschäftigten im Januar erneut ein tarifliches Inflationsgeld von 1.500 Euro ausbezahlt wird, ist im Moment nicht ersichtlich, worüber die Sozialpartner in der kommenden Tarifrunde nach einem Produktionseinbruch von acht Prozent und einem Umsatzrückgang von zwölf Prozent im vergangenen Jahr verhandeln werden. Zumal es keine realistische Aussicht auf Wachstum im neuen Jahr gibt.

An dieser Krise in der Chemieindustrie hat die Bundesregierung entscheidend mitgewirkt. Sie hat sich nicht entschließen können, der Chemie mit einem Brückenstrompreis über den schweren Wettbewerbsnachteil zu hoher Energiekosten am deutschen Standort hinwegzuhelfen. Wer eine Transformation der Industrie zu mehr Nachhaltigkeit möchte, steht in der Pflicht, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die der Industrie diese Transformation auch ermöglicht. Die Branche muss also sowohl mit einer tiefen Krise als auch mit der Jahrhundertaufgabe Transformation fertig werden. Unsere Chemie verfügt über kluge Fach- und Führungskräfte sowie bestens ausgebildete Beschäftigte. Aber auch sie werden die Herausforderungen nur schultern, wenn Sozialpartner, Politik und Gesellschaft an einem Strang ziehen.

Dr. Birgit Schwab
1. Vorsitzende des VAA

Dr. Birgit Schwab

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