Ausblick 2017: Zurück zu den Fakten!
Zu Beginn des Jahres ist es gute Tradition, einen Ausblick zu wagen. Was wird uns im Jahr 2017 beschäftigen? Welche Entwicklungen werden wir erleben und wie sollten wir darauf reagieren? Nun sind Prognosen ja bekanntermaßen dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen – so jedenfalls hat es der amerikanische Schriftsteller Mark Twain humorvoll auf den Punkt gebracht.
Wer dennoch eine Prognose wagen will, dem kann manchmal der Blick in die Vergangenheit weiterhelfen. Der öffentliche Diskurs im zurückliegenden Jahr wurde wesentlich durch den Begriff „postfaktisch“ geprägt. Weil er das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sprachlich in besonderer Weise begleitet hat, wurde er Anfang Dezember von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gekürt. Zuvor war bereits das englische Pendant Post-Truth vom Oxford English Dictionary als internationales Wort des Jahres ausgewählt worden.
Insbesondere die Entscheidungen der Amerikaner für Donald Trump als nächsten US-Präsidenten und der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union wurden kaum von Tatsachen, aber stark von Gefühlen getragen. Sie gelten deshalb als Belege dafür, dass der Zusammenhang zwischen den Fakten einerseits und maßgeblichen gesellschaftlichen Stimmungen und Entscheidungen andererseits immer weiter aufweicht. Manche Experten sprechen sogar schon vom Beginn eines postfaktischen Zeitalters.
Nun sind Debatten und Entscheidungen jenseits der Faktenlage nicht unbedingt etwas Neues. Im Herbst wird der neue Bundestag gewählt und gerade im Wahlkampf nehmen es viele Politiker seit jeher mit der Wahrheit nicht übermäßig genau.
Schon immer wurden in Wahlkampfreden Zuspitzungen und Ausschnitte der Wirklichkeit als rhetorisches Mittel in der Hoffnung eingesetzt, dass die volle Wahrheit erst nach der Wahl zum Vorschein kommt. Wenn aber der Grundkonsens über die Tatsachen schwindet und ganze Wählerschichten bestimmten Parteien, Politikern und Gruppierungen gerade deshalb folgen, weil diese offenkundig ein loses Verhältnis zu den Fakten haben, dafür aber eine „gefühlte Wahrheit“ aussprechen, läuft etwas gefährlich schief. Diese Entwicklung darf gerade der VAA nicht widerstandslos hinnehmen. Wir vertreten als Führungskräfteverband der chemischen Industrie die beruflichen Interessen von Chemikern, Ingenieuren, Medizinern und anderen Berufsgruppen, deren Arbeit auf dem Boden wissenschaftlicher Tatsachen steht und die Grundlage für den Erfolg einer der wichtigsten deutschen Industriebranchen bildet.
Durch die Debatten um die Gefahren von Grüner Gentechnik und Nanotechnologie hat unsere Branche bereits leidvolle Erfahrungen mit postfaktischen Argumenten gemacht, lange bevor der Begriff in Mode kam. Wir wissen, dass auf dieser Basis keine sinnvollen Entscheidungen getroffen werden können. Deshalb gebe ich an dieser Stelle eine Prognose ab, über deren Eintreten ich mir ganz sicher bin: Der VAA wird im Jahr 2017 – und auch darüber hinaus – für das Primat der Tatsachen gegenüber den Gefühlen und gefühlten Wahrheiten eintreten.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA