Herausforderung Innovation
In wenigen Wochen wird das Europäische Patentamt in München seine Jahresbilanz für 2015 vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob Deutschland seinen dritten Platz im Ranking der Länder mit den meisten Patentanmeldungen verteidigen konnte. Denn bereits im Jahr 2014 trennten Deutschland von der viertplatzierten Volksrepublik China nur knapp 5.000 Anmeldungen. Die Chinesen legten damals um 18 Prozent zu, die Zahl der Anmeldungen aus Deutschland blieb konstant. Gut möglich also, dass China uns überholt.
Natürlich kommt solchen Rankingplatzierungen zunächst einmal nur eine symbolische Aussage zu. Dennoch belegen diese Zahlen eine Entwicklung: Deutschland konkurriert im Bereich innovativer Produkte längst nicht mehr nur mit den etablierten Volkswirtschaften USA und Japan, die bei den Patentanmeldungen auf den Plätzen 1 und 2 stehen. Der Innovationswettbewerb wird schärfer. Die deutsche Wirtschaft und insbesondere die deutsche Chemie sind für diesen Wettbewerb gut aufgestellt. Damit das so bleibt, müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Eine Studie, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und die Unternehmensberatung Santiago im September 2015 im Auftrag des Verbandes der Chemischen Industrie veröffentlicht haben, zeigt: Hemmnisse für Innovationen sind sowohl unternehmensinterne Faktoren wie die Unternehmenskultur als auch externe Faktoren wie die politischen Rahmenbedingungen. Und zwar in gleichem Maße.
Das heißt, verbessert werden müssen nicht nur die Rahmenbedingungen – also insbesondere die Regulierung von Innovationsprozessen und die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber neuen Technologien. Auch in den Unternehmen selbst gibt es vielerorts noch Nachholbedarf im Hinblick auf die Innovationskultur und die Effizienz bei der Vermarktung neuer Ideen. Diese externen und internen Innovationshemmnisse abzubauen ist ebenso anspruchsvoll wie es dringend geboten ist. Denn die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Chemiestandortes Deutschland wird maßgeblich von seiner Innovationskraft abhängen.
Für den VAA als Interessenvertreter der Chemie-Führungskräfte ergibt sich daraus die Verpflichtung, dem Thema Innovation ein besonderes Augenmerk zu widmen. Wir tun das schon lange – mit dem VAA-Stiftungspreis, mit unseren politischen Forderungen nach einer steuerlichen Forschungsförderung und mit Veranstaltungen wie unserem regelmäßig stattfindenden Innovationsdialog. Dieses Engagement wollen wir weiter intensivieren. Deshalb haben wir für unsere verbandspolitischen Aktivitäten im Jahr 2016 das Schwerpunktthema „Herausforderung Innovation“ gewählt, dem wir auch unser am Jahresende erscheinendes VAA-Jahrbuch widmen werden. Denn egal, ob an dritter oder vierter Stelle des Patentrankings: Deutschland braucht die gemeinsame Anstrengung aller Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, um seine Position als innovative Volkswirtschaft regelmäßig zu erneuern.
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer des VAA