Zeugnis: Arbeitnehmer trägt Beweislast für „gut“
Wer für sein Arbeitszeugnis eine bessere Schlussbeurteilung als die Note „befriedigend“ beansprucht, muss gegebenenfalls entsprechende Leistungen nachweisen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil klargestellt.
Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis erhalten, in dem ihre Leistungen mit der Formel „zur vollen Zufriedenheit“ und somit mit der Schulnote 3 („befriedigend“) bewertet wurden. Die Arbeitnehmerin verlangte jedoch ein Arbeitszeugnis mit der Formel „stets zur vollen Zufriedenheit“ (Schulnote „gut“) und bekam im Zeugnisrechtsstreit sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht recht.
Beide Instanzen verwiesen darauf, dass der Arbeitgeber abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) darlegen müsse, warum die von der Arbeitnehmerin verlangte Beurteilung nicht zutreffend wäre. Denn durch empirische Studien sei mittlerweile belegt, dass in nahezu 90 Prozent aller untersuchten Zeugnisse gute oder bessere Leistungen bescheinigt werden.
Das BAG hat dieser Rechtsauffassung nun erneut widersprochen (Urteil vom 18. November 2014, Aktenzeichen: 9 AZR 584/13). Die Erfurter Richter entschieden, dass bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast weiterhin die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala den maßgeblichen Ansatzpunkt bildet.
Wenn ein Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala beanspruche, müsse er darlegen, dass er den vom Arbeitgeber gestellten Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien ändern daran laut BAG nichts. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass dabei auch Gefälligkeitszeugnisse berücksichtigt wurden, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen.
VAA-Praxistipp
Das BAG hat mit seinem Urteil klargestellt, dass ein Arbeitnehmer zwar Anspruch auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis hat, sich dieses Wohlwollen aber auf den Rahmen der Wahrheit beschränkt. Kommt es zum Zeugnisrechtsstreit, müssen Arbeitnehmer ihre überdurchschnittlichen Leistungen nachweisen, wenn sie ein Arbeitszeugnis mit der Note „gut“ oder „sehr gut“ beanspruchen. VAA-Mitglieder sollten in Zweifelsfällen die Möglichkeit zur kostenlosen Prüfung ihrer Arbeitszeugnisse durch die Verbandsjuristen nutzen.